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Öffentlich-rechtliche auf dünnem Eis: Werbung ganz streichen?
Weil sich der Mitteldeutsche Rundfunk um rund 18 Millionen Schilling verspekulierte, debattiert Deutschland wieder heftig über seine öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten ...
... Mit hier nicht unbekannten Stichworten von Gebührenerhöhung bis Programm- Verflachung - nebst gar ein wenig "Taxi Orange".
Die Wirren um die Finanzgebarung des ARD-Senders für Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wären so heikel nicht. 3,6 Millionen DM hat man mit eine
riskante Ecuador-Anleihe und sohin zwar in den Sand gesetzt. Mehr noch als die von der empfehlenden Bank gleich reuig zurücküberwiesene Million müsste
doch das Gesamtergebnis der Anlagepolitik trösten: Rund 532 Millionen Schilling Ertrag beschert die alleine heuer, in den vergangenen sieben Jahren waren
es über drei Milliarden. Trotzdem warf MDR-Intendant Udo Reiter seinen Verwaltungsdirektor Rolf Markner wegen der riskanten Spekulation hinaus. Von der
Reiter nichts gewusst haben will, obwohl ein Sonderprüfbericht bereits im Mai 2000 neben der Ecuador-Anleihe noch weitere spekulative Geschäfte aufgeführt
hat.
Warum die Nerven blank liegen, debattierte man Donnerstag im Landtag von Sachsen. Dem letzten deutschen Länderparlament, das noch - Mitte Dezember -
der geplanten Erhöhung der Rundfunkgebühren zustimmen muss. Sagen die Sachsen Nein, bekommt keine der öffentlich-rechtlichen deutschen Anstalten
wie geplant mehr Geld. Zur Anhörung am Donnerstag waren auch die Chefs von ARD und ZDF geladen, Peter Voss und Dieter Stolte. Um zu erklären, dass
vielleicht der erst vor acht Jahren gegründeten MDR keine Gebührenerhöhung braucht, die übrigen Öffentlich-Rechtlichen aber sehr wohl. "Hoffentlich können
wir genügend Abgeordnete überzeugen", seufzte Reiter im Vorfeld; ARD-Vorsitzender Voss befürchtete gar "Flurschaden für die demokratische Gesellschaft"
ohne die 3,33 DM mehr pro Zuseher.
Just den Beitrag etwa des MDR zu dieser demokratischen Gesellschaft wollen freilich mehr und mehr Abgeordnete der CDU-Mehrheit in Sachsen nicht mehr
so genau erkennen. Das aus österreichischen TV-Debatten nicht unbekannte Stichwort: Quotenjagd. In der Süddeutschen Zeitung fordert etwa der
stellvertretende CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers schon, die auf die Zeit vor 20 Uhr beschränkte Werbung in ARD und ZDF ganz zu streichen. Denn: "Die
Vielfalt geht vor die Hunde, wenn sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten in vollem Umfang den privaten Sendern annähern."
Bei der Konkurrenz wiederum - in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung - verteidigten sich die Chefs von ARD und ZDF gleich in einem gemeinsamen Interview.
In dem ZDF-Chef Stolte vielleicht ob der Aufregung um die Finanzen einen öffentlich-rechtlichen Mitstreiter nicht mehr als solchen erkennen konnte und den
ORF in eine Reihe mit RTL/RTL 2 sowie Sat.1 stellte: "Ich hielte es für verhängnisvoll, wenn wir den Weg beschritten, den einige Private mit ,Big Brother',
,Diät-TV', ,Taxi Orange' und Ähnlichem gehen. Auf dieses Glatteis werden wir uns nicht begeben. Dort lassen wir andere Esel tanzen."
ARD-Vorsitzender Voss ergänzt im selben Interview, was der CDU-Vorschlag völliger Werbefreiheit der Öffentlich-Rechtlichen die Seher kostete: Die geplante
Erhöhung müsste um drei Mark, also rund 21 Schilling pro Monat, kräftiger ausfallen. Österreich unterscheidet sich da markant von Deutschland: Während
nahezu die Hälfte der rund elf ORF-Umsatzmilliarden aus Werbung kamen, waren es bei ARD und ZDF um zehn Prozent ihres Gesamtumsatzes. Zudem
können die deutschen Anstalten aufgrund der Bevölkerungsgröße auf zehnmal mehr Gebührenzahler hoffen als der ORF.
Ohne Werbung
Ob dessen Programme nun - wie berichtet - mit einem neuen ORF-Gesetz getrennt, ORF 1 privatisiert und ORF 2 gebührenfinanziert, weitergeführt werden
sollen, ist weiter offen. "Ernster als befürchtet" seien diese Überlegungen offenbar, meinte Donnerstag ein ORF-Insider. Außer FP-Klubchef Peter
Westenthaler habe bisher niemand diesen Plan öffentlich befürwortet, hieß es hingegen aus dem VP-regierten Medien-Staatssekretariat. VP-Klubchef
Andreas Khol war weiter für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Offiziell herrscht zur ORF-Zukunft "Nachdenkpause". (fid/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3. 1.. 2000)