Wien - Man weiß nicht so genau, ob dieser Film ein Traum ist oder ein Albtraum, oder womöglich überhaupt nach dem Ableben seines traurigen Helden stattfindet. Zu Beginn jedenfalls sitzt Senator Jay Billington Bulworth (Warren Beatty) vor dem Fernsehgerät und beschließt, im Angesicht seiner Wahlkampf-Werbespots, sein Ende. Er zeichnet eine hohe Lebensversicherung und engagiert einen Killer, der ihn umbringen soll. Dann reist der Wahlkampf-Tross von Washington nach L.A. Und der schon ziemlich weggetretene Senator, der tagelang nicht geschlafen und gegessen hat, verwirft plötzlich seine schönen letzten Worte vom Sein an der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend, um Klartext zu reden. Aber der spirituelle Gehalt von Bulworths Rede wird sich erst im Gesang entfalten: Der Senator beginnt also, in Versen zu sprechen und seine umstürzlerischen Aussagen über die eigentlichen (Lobby-)Interessen hinter der Politik zu rappen. Entflammt für eine junge schwarze Frau (Hale Berry) wird er zum Homeboy. Der Film behauptet nicht, dass dieser Rollenwechsel tatsächlich möglich wäre. Bulworth ist keine Sozial-Klamotte. Der Senator ist ein Delirierender, der in kurzen Hosen, mit Wollmütze und schnittiger Sonnenbrille alle um sich herum befremdet. Und der an dem Chaos, das er auslöst, irgendwie wieder gesundet. Beattys Alleingang Bulworth , den Warren Beatty auch geschrieben und inszeniert hat, ist ein sperriger Film. Er ruckelt dahin, so wie sein Held, der oft unberechenbar beschleunigt und dessen Entourage dann zappelnd mit ihm Schritt halten muss. Er leistet sich eine Vielzahl erstklassiger (Neben-) Darsteller und verschwenderische kleine Momente. Bulworth , im Jahr 1996 - im Schatten der Primaries für die anstehenden Präsidentschaftswahlen - angesiedelt, 1998 fertig gestellt und gleich mit einer Altersfreigabe ab 17 belastet, folgte auf Filme wie The Second Civil War (1997), Wag The Dog (1997) oder Clint Eastwoods Absolute Power (1997). Anno 2000 könnte man ihn dagegen eher neben einen Film wie Spike Lees Bamboozled stellen. Auch bei Lee - der Beattys Film im Übrigen angeblich rein gar nichts abgewinnen konnte - geht es um "Blackness" als widersprüchliche Erfahrung und als neuer dings attraktiven Marktwert. Und um Experimente mit transgressiven Strategien, in denen sich jedoch häufig nur alte Machtverhältnisse fortschreiben. Auch Bamboozled - die Wette hält bestimmt - wird bei uns keinen regulären Kinostart erleben. Bulworth kehrte immerhin vom 3. bis 5. November für ein kurzes Gastspiel ein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3. 11. 2000)