Brüssel - Dort, wo es heute schon trocken und heiß ist, wird es im Lauf des Jahrhunderts noch trockener und heißer. Und dort, wo es feucht und kalt ist, wird es noch feuchter, aber auch wärmer. Diese Prognose stellt das EU-Projekt Acacia, das erstmals die Folgen des Klimawandels so kleinräumig erfasst, dass es regional differenzierte Aussagen für Europa machen kann. Bisher gab es nur den großen Trend: Erwärmung um 0,1 bis 0,4 Grad pro Jahrzehnt. Nun geht es in die Details: Vor allem der Süden wird unter steigender Hitze und Trockenheit leiden. Bis zur Jahrhundertmitte könnten die Sommer in Griechenland und Südspanien so heiß und trocken werden, dass die Landwirtschaft in Schwierigkeiten und der Tourismus zum Erliegen kommt. Winterende 2080 Letzteres droht auch weiter nördlich, in den Alpen, deren Gletscher bis zum Jahrhundertende zu 90 Prozent verschwunden sein sollen. Zudem kommt dort mehr Niederschlag, aber weniger als Schnee, da kalte Winter in Mitteleuropa um 2020 selten werden und ab 2080 der Vergangenheit angehören sollen. Allerdings gibt es für Mittel-und vor allem Nordeuropa auch Positives: Weniger Heizbedarf und Glatteis im Winter, größere und länger bewirtschaftbare Acker- und Waldflächen. Der Norden könnte auch jene Tourismusströme aufnehmen, denen es im Süden zu heiß und in den Alpen zu schneearm wird. Allerdings stehen diesen Touristen auch Abenteuer bevor. Der - um ein bis zwei Prozent pro Jahrzehnt - erhöhte Niederschlag wird häufigere Überschwemmungen bringen, und die Sturmfrequenz und -stärke soll sich auch erhöhen. Und vor allem ein großes Risiko bleibt, das auch mit der neuen Feinprognose nicht abgeschätzt werden kann: Die Erwärmung auch Mittel- und Nordeuropas könnte abrupt in eine Abkühlung umkippen, wenn eine der großen Meeresströmungen zum Erliegen kommt, der Golfstrom, der Nordeuropa wärmt. Dies könnte dann geschehen, wenn durch Regen und schmelzendes Eis zu viel Süßwasser in den Nordatlantik gerät. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3. 11. 2000)