Nahost
Sharon: "Frieden bedeutet für mich Sicherheit"
Likud-Chef ist bereit zu regieren und schließt nationale Notstandsregierung nicht mehr aus
Jerusalem/Mailand - Ariel Sharon, Chef des oppositionellen rechtsgerichteten Likud-Blocks, schließt eine Teilnahme an einer
israelischen "Notstandsregierung" nicht mehr aus. Das sagte er am Donnerstag in einem Interview mit der italienischen Tageszeitung "Corriere
della Sera". Sharon betonte, dass er für Verhandlungen jederzeit bereit sei, "falls die Umstände es erfordern". Die Strategie von
Palästinenser-Präsident Yasser Arafat zähle auf eine Zermürbung Israels. Es sei traurig ansehen zu müssen, wie großzügig sich Barak zu
Arafat verhalte. Nur eine Allianz zwischen Arbeiterpartei und Likud könne das Land stärken. "Ich weiß, wie mit den Arabern zu verhandeln
ist", gibt sich Sharon selbstbewusst.
Ein Friedensabkommen mit den Palästinensern bedeute aber wesentlich mehr als ein freundschaftlicher Händedruck: "Alle wollen den Frieden
in Israel, aber für mich bedeutet Frieden Sicherheit für die Bürger, und zwar nicht nur für einen begrenzten Zeitraum." Ein Frieden, der nur
temporär sei und von wechselnden Machtverhältnissen im Parlament abhänge, sei nicht stabil. Sharon warf den Regierungen unter Barak und
Yitzhak Rabin vor, zu leichtfertig und gutgläubig Frieden mit Arafat geschlossen zu haben. Man könne Arafat nicht die Hand reichen, denn "in
dieser Region hat ein Händedruck eine tiefe symbolische Bedeutung: Er besiegelt, dass jeder Konflikt bereinigt ist".
Für die Arabischen Staaten ist Sharon ein Kriegsverbrecher
Arafat sei aber verantwortlich dafür, was nun in diesen Tagen geschehe. "Wenn er sagt, er habe nicht die Kontrolle über die Gewalttaten,
warum sollten wir dann mit ihm verhandeln?", sagte Sharon, dessen spektakulärer Tempelberg-Besuch Ende September die jüngsten
schweren Unruhen ausgelöst hatte. In den arabischen Staaten gilt er als Kriegsverbrecher, seitdem er 1982 als Verteidigungsminister die
Libanon-Invasion geleitet hatte. Wegen der vom Obersten Gerichtshof Israels festgestellten Mitverantwortung der israelischen Armee bei den
Massakern in den Beiruter Palästinenser-Flüchtlingslagern Sabra und Shatila mit bis zu 1.500 Toten hatte Sharon 1983 zurücktreten müssen.
Rabin habe als Premier Arafat die Hand gereicht, was ein schwerer Fehler gewesen sei. "Heute zahlen wir für Oslo die Rechnung", sagte
Sharon. Die Oslo-Abkommen wurden im August 1993 und September 1995, nur wenige Wochen vor der Ermordung Rabins, unterzeichnet
worden.
"Die Regierung ist am Ende"
Der Regierung von Premier Ehud Barak räumt Sharon nur wenige Chancen ein: "Diese Regierung ist am Ende, es ist nur eine Frage der Zeit,
ein, vielleicht zwei Monate." Um Arafat aufzuhalten und zu verhindern, dass der Konflikt noch weiter eskaliere, sei es notwendig, eine einzige
israelische Front zu bilden. Sharon: "In dieser Situation kann ich Barak helfen und beraten. Ich glaube nicht, dass der Friedensprozess
gestorben ist. Er muss nur in anderer Weise betrieben werden, nach neuen Regeln."
Auf Sharons innerparteiliche Positionierung und die Konkurrenz zu Ex-Premier Benjamin Netanyahu angesprochen, erwiderte Sharon: "Der
Likud ist eine demokratische Partei. Es wird Vorwahlen geben, und jeder wird seine eigene Kandidatur für das Amt des Premiers einreichen
können. Zu Netanyahu habe ich ein gutes Verhältnis." (APA)