Wien - Die österreichische Abfallwirtschaft rechnet in Szenarien bereits mit einer rasanten Zunahme von Wegwerfverpackungen bei Getränken - trotz der freiwilligen Selbstverpflichtung von Industrie und Handel, die Mehrwegverpackungen zu forcieren.

Dem STANDARD liegt ein Papier aus dem Umfeld der Altstoff Recycling Austria AG (ARA) vor, in dem ein Abfall-Szenario für das Jahr 2004 konstruiert wird. Daraus geht hervor, dass sich die heimische Recyclingwirtschaft auf 72 Prozent Einweganteil bei Getränken einstellt, gerechnet nach abgefüllten Litern. Derzeit liegt der Anteil bei rund 50 Prozent.

Besonders extrem wird die Entwicklung bei Bier eingeschätzt: Über 40 Prozent des Bier-Marktinputs im genannten Jahr könnten in Pet-Flaschen (Polyethylen) abgefüllt sein. Derzeit bewegt sich der Anteil nahe null, nur die Dornbirner Mohrenbrauerei hat derzeit Pet-Flaschen im Angebot.

In der Brauereiwirtschaft hält man die Zahlen für überzogen. Brau-Union-Chef Johann Sulzberger sagt zum STANDARD: "Wir sind eine Selbstverpflichtung eingegangen, Mehrweg zu fördern, und die nehmen wir sehr ernst." Wenn man diverse Faktoren wie Konsumentenakzeptanz oder auch den Preis des Rohstoffs Rohöl einkalkuliere, sei ein Anteil von zehn bis 15 Prozent realistischer. "Aber das ist eben auch nur eine weitere Zahl", so Sulzberger.

Auch bei den anderen Getränkearten werde der Mehrweganteil laut Szenario-Papier stark zurückgehen: Bei Mineralwasser auf ein Drittel, bei Limonade auf ein Viertel, bei Fruchtsäften auf etwas über 15 Prozent, bei Milch auf sieben Prozent und bei Wein auf 60 Prozent.

Der Quoten-Trick

Die in der kommenden Verpackungszielverordnung vorgesehen Sammelquoten würden in diesem Szenario nur mit einem "Berechnungstrick" erreicht werden können, kritisiert die Glasindustrie, namentlich Gerald Hirss-Werdisheim, Geschäftsführer der Austria Glas Recycling GmbH (AGR) im STANDARD-Gespräch. Die Quoten wurden, wie mehrfach berichtet, für alle Getränke einheitlich auf 80 Prozent gesenkt.

Der "Trick" sei im Paragraphen zwei der voraussichtlich ab 1. Jänner geltenden Verordnung zu finden: Die Quote, heißt es darin, errechne sich aus der Summe des Anteils der Mehrweggebinde und der Einweggebinde. Allerdings sei bei den Mehrweggebinden das Füllvolumen die Bezugsgröße, bei Wegwerf-Verpackungen hingegen das Gewicht. Das schwerere Mehrweg-Glas trägt dank der hohen Sammelquoten damit einen höheren Beitrag zur Gesamtquote bei als die leichteren Pet- und Kartonverpackungen.

Die AGR erklärt dies so: Die für 2004 erwarteten 120.000 Tonnen Einwegglasflaschen entsprechen einer Füllmenge von 200 Mio. Liter. Nach der "alten" Berechnungsmethode könnte damit für vier Prozentpunkte der Sammelquote aufgekommen werden. Nach der neuen Berechnungsmethode werden es plötzlich 32 von 80 Zielprozentpunkten sein. Bei Pet-Flaschen wird ein Aufkommen von 40.000 Tonnen erwartet, das aber ein Füllvolumen von 1400 Mio. Liter hat.

Nach der Methode alt tragen sie 25 Prozentpunkte, nach der neuen zehn Prozentpunkte zur Gesamtquote bei. Nach der alten Methode kommt das Szenario-Papier für das Jahr 2004 auf eine Sammelquote von etwas über 77 Prozent, nach der neuen auf knapp 80 Prozent.

Nichterfüllung

Auch genau dokumentiert wird im Szenario die Nichterfüllung der derzeit noch geltenden Quoten: Die Zielquote bei Wasser liegt beispielsweise bei knapp 80 Prozent, gefordert werden 96 Prozent. Bei Milch sind es 68 statt vorgeschriebener 80 Prozent.

Umweltminister Wilhelm Molterer will die Verordnung wie geplant ab 1. Jänner 2000 in Kraft setzen. Kritiker werfen ihm einen "Kniefall vor der Wirtschaft" vor und fordern eine Abgabe auf Einweggebinde. Damit könnten dem Handel die Mehrweg-Manipulationskosten abgegolten werden. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Printausgabe 6.11.2000)