Wien - Hat doch jeder schon einmal erlebt - diese spezielle Würstelbudenromantik, die ins Ungemütliche kippen kann. Wenn er sich zu extrem später oder morgendlich früher Stunde auf der Suche nach Sättigung durch eine "Eitrige" in die Schlange vor einem "Standl" einreihte, hatte er eigentlich nur Hunger. Doch wurde sein Gehabe tragischerweise von Zeitgenossen missdeutet ... Sein Blick erwies sich als falsch. Ein Zucken seiner Augenbrauen wurde zur Ehrenbeleidigung. Und plötzlich ließ ihn die durch Bartstoppeln unwirsch grinsende Zahnlücke des Gegenübers erahnen, dass die Frage "Heast, wos is?" nur noch ein rhetorisches Präludium für die schon erschallende Symphonie der Kopfnüsse und Dachteln war. In der Wiener Volksoper geht die gute Fee (stimmlich gut disponiert die kindlich-märchenhaft herumhüpfende Siegrid Hauser) in so einer Situation mitunter dazwischen. Sie kommt einem Faust-"Buserer" zuvor. Doch kann und will sie nicht immer eingreifen. Und dann scheppert es halt vor dem Würstelstand neben der Tankstelle. Es folgt eine "Genitalmassage", und darnieder liegt das Gigerl vom Senf-Restaurant, der Herr Prittwitz, dem die grindige Bude auch gehört. Die Abreibung Es wird sich im Auditorium keiner befunden haben, der meinte, der Angeber im weißen Zweireiher hätte solch eine Abreibung nicht verdient. Und nicht nur, weil er von Oliver "Ö3" Baier (so hilflos wie bewusst schablonenhaft) gespielt wird. Längst hat Georg Ringsgwandls von Thomas Maurer ins Wienerische übertragene "lausige Operette" Die Tankstelle der Verdammten verdeutlicht, wohin sie die Sympathie der Anwesenden wandern sehen will. Zu jener Exkurvensau namens Tino (glänzend Gregor Seberg), der einst Testfahrer bei BMW war, nun aber als Koch und Kellner für das leibliche Wohl seiner Stehkundschaft zu sorgen hat und seine Lebensphilosophie ("Ride hard - die free!") in Pension geschickt hat. Und vor allem natürlich zu diesem Mann, der neben der Genitalmassage auch noch die Kunst beherrscht, eine Bierflasche auf sieben Arten zu öffnen: King Church war einst Rockstar, aber das ist Tausende Fässer Bier her! Eben weil: Bier her! Jetzt ist er vor allem Sozial-Mephisto, dick genug, um nicht durch das soziale Netz zu fallen. Stolz genug, um zornig zu sein. Recht so! Ambros singt Wegas Tony Wegas weiß, was er spielt. Vor allem ist er zweifellos ein Rampentiger, der die Gelegenheit nutzt, einen testosteronüberversorgten Barden zu mimen. Das ergibt eine sympathische und professionelle Mischung aus Tom Jones, Wegas und Wolfgang Ambros, der Wegas imitiert - deftig und brav assistiert von der Tankstellencombo um Geri Schuller. Hätte das Ganze auch noch eine dramaturgisch intakte Regie (Thomas Gratzer), man würde die humorigen Untiefen akzeptieren. Auch dass die Besetzung nicht immer das nötige Maß an professionellem Handwerk bot (Alexandra Hilverth als Angie und Sissi Löwinger als Frau Dreher). So bleibt der Eindruck eines durch Dialoge unterbrochenen Selbstdarsteller-Konzerts im Bierkisten-Ambiente ohne Aussagewillen. Mit Durchhängern. Wenn Ringsgwandl ein Wort der Fassung verstanden hat, verdient er die Ehrenbürgerschaft. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. 11. 2000)