Bühne
Josef Szeiler spielt Theater
Das "theatercombinat" mit Brecht und Aischylos in St. Marx - ein Botenbericht
Wien - Es ruht, unter der Götter Wahr-Blick, der Zwist nicht./ Denn die da treiben Theater, unter des Stadt-/ herrschers Marboe wohlmeinender Duldung,/ sie zanken und hadern, wie die Ird'schen seit je/ es getan, in frommer Übung des schimpflichen/ Brauchs. Nennen "IG" sich, "Freie Theater-/ arbeit" sich heftend auf Schilder der Wohl-/ meinung, gute Nachricht von ihrem Tun.//
Vergesslich indes sind die Schutzherren, wenn Rede/ auf Josef Szeiler gebracht wird. Dieser, die Verse/ verkostend, die Aischylos dichtend, doch singend/ nie, auf uns gebracht hat, sammelt Getreue:/ Wahrsprecher alle, in grellbunten Jacken/ um sich. Nennet sie, schön nicht, "theatercombinat"/ und sperret sie alle, bei Kälte des Tags/ wie der Nacht, drei Mal zwölf Stunden in Dome,/ wo man der Schweine Tausende zu schlachten/ gepflegt, zum Zweck der Verwurstung: Esser/ gibt es, gierend nach Schwarte, in Wien: St. Marx.//
Von heiliger Siebenzahl die Spieler, feiert/ der Schauer hilflos sein Stehen. Oh Ihr Götter!/ Eisiger Wind, aus Äols prallem/ Gedärme geschlüpft, singt um die Ohr'n uns,/ Besuchern wie Spielern. Denn erst mal passieret/ rein gar nichts. Vier Hallen, vom Ausmaß Mykenes,/ in Wahrheit der Platz von sechs Fußball-Arenen,/ hängt trübe im Licht etwelcher Röhren/ des Leuchtstoffs. Kaum dass man, die spielen, kann seh'n.//
Oioi, doch da: Ein mägdliches Weibe/ erzählt, in den Stuhl ihrer Sorgen gepflanzet,/ von Hektor, dem Feind des Achilleus, der Thetis/ einziger Sohn. Letzterer schleifte den Hektor/ um Trojas vieltorige Mauer. So war's.//
Oi. Der Spieler gar manche erstarren/ zu Götzen. Man folgt gern dem Lauf der zum Abfluss/ des Blutes gekerbten Rinnen in dem/ Beton. Der Götter Stundenglas aber/ zählet den Sand. Verloren fühlet/ der Mensch sich. Choreuten in Wattebeinkleidern/ verlieren in Fernen sich, von Weitem/ kaum schätzbar. Man döset. Steht Beine, des Menschen/ gewichtige Freunde, in den Bauch sich. Im Vorhof/ schlägt ein Metronom Takt. Höher/ aber ziehet von Brecht, dem weisen, ein Spruchband/ von "Fatzer" sich. Der und die ältere/ "Orestie": Diese beiden, verschwistert,/ zwinget der "Pepi" zum Hochamt, dem viel-/ stündigen zusammen. Fass' es, wer kann.//
Dergleichen die Menschen zu nennen gewohnt sind:/ "Extremismus". Der heilige Wahrdienst, den Musen/ gewidmet, aber lebt von solchem. Wenige/ waren wir. Die Spieler des Schlafes kaum/ auch pflegten. Das Obst und das Wasser, den Göttern/ zum Opfer nicht, doch den Spielern. Mensch Szeiler/ ließ sammeln viel Video, zum Zeugnis, dass man/ dabei war. Wie wohlgefällig solches/ den Göttern, den gierig opfersammelnden,/ gewiss. Doch wie schnöde, Besuchende wir,/ die Reißaus nahmen, nach der Stunden wenigen nur.//
Auch den Abort, der den Göttern abgewandte,/ wir fanden ihn kaum. Des Regens tropfende/ Fluten, sie leckten, durch Löcher der Bedachung/ hernieder, den Raum. Oh Tarkowskij, der Film-Götter/ mächtigster! Wir fanden dich in dem Spiele/ wieder. Nun betten die Helden des "combinats"/ ihre Häupter vielstündig zur Ruh'. Und war es/ auch Wahnsinn: Einen solchen zu pflegen/ und hüten, wie der Schäfer die Zicklein, bitten/ wir dich, des Theaters sanftmütiger Gott,/ von Zeit zu Zeit. Nun gehabet euch wohl.//
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. 11. 2000)