Wien - "Mögen auch ein paar Tausend Demonstranten in den Straßen gegen die Welthandelsorganisation WTO protestieren, Faktum ist, dass im vergangenen Jahr Länder mit 18 Millionen Menschen der WTO beigetreten sind." Diese Beitritte seien ein klares Referendum für eine auf gemeinsamen Regeln basierende Liberalisierung des Welthandels, erklärte WTO-Generaldirektor Mike Moore am Montag in Wien bei einer von der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und dem Joint Vienna Institute veranstalteten Ost-West-Konferenz unter dem Thema: "Die Transformation vollenden".

Unter den Reformländern derzeit schon 13 Länder WTO-Mitglieder. Kroatien soll noch im November das 140. WTO-Land werden. Moore kündigte für Anfang des kommenden Jahres eine Reise nach Russland an, um dort dem Beitrittsprozess Momentum zu verleihen.

"Wir haben in den vergangenen zehn Jahren in den Transformationsländern unglaubliche Fortschritte erlebt, dennoch ist die Lage noch nicht so gut, wie wir sie vor zehn Jahren erwartete haben", prägte John Odling-Smee, der für die GUS (die "Gemeinschaft Unabhängiger Staaten" in Nachfolge der UdSSR) verantwortliche Direktor des Internationalen Währungsfonds, den Tenor der ersten Session der zweitägigen Konferenz. Die makroökonomischen Daten zur Inflation, zur Budgetlage und zum Gewicht des privaten Sektors in den Ökonomien bewiesen, dass die meisten Länder die erste Phase des Umbaus erfolgreich absolviert hätten. Gerade in der GUS zeigte sich aber, wie alteingesessene Interessen Strukturreformen zum Stillstand brächten, was der Ausnutzung von Monopolen und der Korruption die Türe öffne.

Auch der Warschauer Wirtschaftsprofessor Karol Lutkowski zog eine positive Bilanz aus der polnischen Tranformationserfahrung, sah aber in der derzeit bei zwölf Prozent liegenden Arbeitslosigkeit mit steigender Tendenz die große Herausforderung der Zukunft. Unter den Jugendlichen liege die Arbeitslosenrate gar bei 35 Prozent.

Strukturreformen

OeNB-Vizegouverneurin Gertrude Tumpel-Gugerell hatte schon in ihrer Eröffnung die Notwendigkeit struktureller Reformen in den Bereichen soziale Sicherheit, Gesundheit, Bildungswesen, öffentliche Verwaltung und in den Aufsichtsorganen für die Finanzmärkte hervorgehoben.

Das Joint Vienna Institute wurde 1992 von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), dem IWF und der OECD gemeinsam mit dem österreichischen Finanzministerium und der OeNB als Ausbildungsinstitut für Beamte und staatliche Experten aus Reformländern eingerichtet. 1999 trat auch die WTO als Trägerinstitution bei. Bis Mitte 2000 haben mehr als 12.000 Personen an den Schulungen teilgenommen. (jost, Der Standard, Printausgabe, 07.11.2000)