Hamburg/Frankfurt - Die Auseinandersetzung zwischen den deutschen Parteien um die Ausländerpolitik wird im Tonfall schärfer. SPD-Fraktionschef Peter Struck warf CDU-Chefin Angela Merkel am Montagabend im ZDF-"heute journal" vor, sie habe sich bei der Darlegung der Eckpunkte der Union für die Ausländerpolitik "schwer vergaloppiert". Struck fügte hinzu: "Das waren Nazi-Vokabeln gegenüber uns Sozialdemokraten." Merkel hatte unter anderem von der "Lebenslüge" einer multikulturellen Gesellschaft gesprochen. Merkel erwiderte, über die Zuwanderung von Ausländern nach Deutschland müsse künftig im nationalen Interesse entschieden werden. Eine Volksbefragung zur Frage der Ausländer- und Asylpolitik lehnte sie ab. Außenminister Joschka Fischer von den Grünen warf der CDU vor, in der Ausländerdebatte auf "Stammtisch-Reflexe" zu setzen. Gesetz in Vorbereitung Fischers Parteikollegin, die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung Marieluise Beck, erklärte unterdessen, sie rechne bereits im kommenden Jahr mit der Vorlage eines Einwanderungsgesetzes. Auch die SPD habe erkannt, dass man das Thema nicht Jahre lang vor sich her schieben könne, sagte sie der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" von Dienstag. Die von der CDU ausgelöste Debatte um eine Leitkultur bezeichnete Beck als "aufgeblasen und überflüssig". Daran ändere auch die Formulierung im Eckpunktepapier der CDU nichts. Die Kultur sei nicht per Gesetz oder Begriff zu bestimmen. Eine "offene Gesellschaft" müsse vielmehr auf die Ausländer zugehen und zeigen, dass diese erwünscht seien. Soiber gegen Duldung "rechtsfreier Räume" Der bayrische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber sprach sich gegen die Duldung "rechtsfreier Räume" aus und erteilte einer multikulturellen Gesellschaft eine entschiedene Ablehnung. Stoiber sagte der "Bild"-Zeitung, die Wertordnung in Deutschland gehe von der Gleichberechtigung von Mann und Frau aus. "Es können deshalb in Deutschland keine rechtsfreien Räume geduldet werden, in denen selbstverständliche Rechte von Frauen und Mädchen und ihre eigene Entscheidungsfreiheit nicht beachtet werden." Man dürfe nicht dulden, "wenn minderjährige Mädchen von hier in die Türkei gebracht werden, um sie dort gegen ihren Willen zu verheiraten". Die Unionsparteien strebten eine Integration ausländischer Mitbürger an. Man müsse "Parallelgesellschaften oder einer multikulturellen Gesellschaft eine klare Absage erteilen", sagte Stoiber. Deutschland sei weltoffen und ausländerfreundlich, "aber es muss klar sein, dass unser europäisch-abendländisch geprägtes Wertefundament Leitkultur in Deutschland und Grundlage für das Zusammenleben hier ist". Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) vertrat gegenüber der Zeitung "Die Rheinpfalz" die Ansicht, die Chancen für eine Einigung zwischen Regierung und Opposition auf einen Kompromiss über die Zuwanderung gut stünden. Man müsse festlegen, "wie viele Menschen in Deutschland gebraucht werden und wie viele vernünftig zu integrieren sind". Der Anspruch auf Asyl müsse unangetastet bleiben. (APA/dpa/AP)