Wien - Die Gefahr, die vom Ölpreis für die Weltkonjuktur ausgeht, ist nach Einschätzung des Präsidenten des Internationalen Währungsfonds (IWF), Horst Köhler, deutlich gesunken. "Sollte der hohe Ölpreis noch viele Monate anhalten, dann muss man davon ausgehen, dass das Wachstum einen Dämpfer erhält, aber es besteht eine gute Chance, dass der Ölpreis wieder unter 30 Dollar pro Barrel fällt", sagte Köhler am Montag bei einem Pressegespräch in Wien. Auf Basis von Angebot und Nachfrage gebe es keinen Grund für einen Ölpreis über der 30-Dollar-Marke, und "niemand hat ein Interesse am hohen Ölpreis, auch die Produzentenländer nicht." In der Vorwoche ist der Ölpreis wieder unter 31 Dollar gesunken. Derzeit gehen die IWF-Ökonomen davon aus, dass sich das Wachstum der Weltwirtschaft nächstes Jahr von 4,7 Prozent auf 4,1 Prozent abschwächt. Durch einen anhaltend hohen Ölpreis könnte die Expansion um einen viertel bis halben Prozentpunkt schwächer ausfallen, glaubt Köhler; aber: "In seiner Substanz ist das Wachstum aber nicht gefährdet." Andere Risiken für die Weltwirtschaft sieht der Deutsche in der Möglichkeit eines "hard landing" der US-Wirtschaft und dem Ungleichgewicht zwischen Euro und Dollar. Die europäische Währung sei weiterhin unterbewertet, dürfte sich aber erholen, "wenn es den Europäern gelingt, mit ihrem Wachstum die USA einzuholen oder gar zu überholen." Das Weltfinanzsystem sei in einer weit besseren Verfassung als vor Beginn der Asienkrise vor drei Jahren. Der IWF, die Regierungen und die Banken hätten durch die Krisen viel dazu gelernt und vor allem eine viel bessere Daten-Transparenz geschaffen. Lob für Null-Defizit Großes Lob zollte Köhler, der erstmals als IWF-Chef Wien besuchte, seinem Gastgeber Finanzminister Karl-Heinz Grasser, für dessen Budgetpolitik. Durch die Abschaffung des Budgetdefizits bis 2002 würde die Regierung die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch das Wachstum stärken, sagte Köhler. "Wir sind sehr zufrieden mit diesen Anstrengungen." Noch im Frühjahr hatte der IWF Österreichs langsame Budgetkonsolidierung kritisiert und damit auch Grasser Argumente für seinen Null-Defizit-Kurs geliefert. Optimistisch äußerte sich Köhler über die russische Wirtschaft und den Reformwillen des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Jugoslawien werde wieder in den IWF aufgenommen. (ef, D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 11 . 7. 2000)