Legendär sind die Erzählungen aus den 80er Jahren, als Argentinier mehr als zehn Jahre auf einen Telefonanschluss warten mussten. Diese Zustände gehören seit der Privatisierung der chronisch defizitären staatlichen Gesellschaft ENTEL 1990 zwar der Vergangenheit an, aber dafür müssen die Kunden mit die höchsten Telefongebühren weltweit berappen. Dies soll sich ab 9. November ändern. Argentiniens Präsident Fernando de la Rua die völlige Desregulierung auch des lokalen Telekommarktes angeordnet. Denn Nutznießer der hohen Gebühren waren bisher die beiden früheren Monopolgesellschaften Telefonica der spanischen Telefonica-Gruppe und Telecom, die zur Hälfte France Telecom und Telecom Italia gehört. Telecom war bis vergangenes Jahr Monopolist im Norden des Landes und Telefonica hatte den Süden für sich allein. Die ertragreiche Hauptstadt Buenos Aires war ebenfalls geteilt. Die von einer langen Rezession geplagte Regierung erhofft sich durch die Öffnung des Marktes in den kommenden drei Jahren Investitionen von insgesamt 10,7 Mrd. Dollar (12,38 Mrd. Euro/170 Mrd. S). Gut die Hälfte davon soll von den bisherigen Monopolisten kommen, der Rest hauptsächlich von US-Unternehmen wie Bell South, CTI, Comsat und AT&T, die zusammen mit 20 anderen Unternehmen bisher eine Lizenz erhalten haben. Der Telekommunikationsmarkt in Argentinien hat derzeit einen Jahresumsatz von etwa elf Mrd. Dollar. Das entspricht vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das Wachstumspotenzial des argentinischen Telekommarktes ist jedoch noch enorm. Auf 100 Einwohner kommen bisher nur 21,5 Festnetzanschlüsse, nur 3,3 Prozent verfügen über einen eigenen Zugang zum Internet und 9,9 Prozent aller Argentinier besitzen ein Handy. Im laufenden Jahr wuchs die Zahl der Handybenutzer trotz der schweren Rezession um fast 75 Prozent. Bereits im vergangenen Dezember wurde der Markt für Auslands- und Ferngespräche zum Teil geöffnet. Zu Telefonica und Telecom gesellten sich daraufhin die US-Firmen Bellsouth und CTI, was zu einer Verbilligung dieser Gesprächstarife um 56 Prozent geführt hat. Argentiniens Staatssekretär für Telekommunikation, Henoch Aguiar, rechnet durch die anstehende Deregulierung mit einer weiteren Verringerung von bis zu 80 Prozent. Im Bereich der Ortsgespräche werde sich der Wettbewerb aber vermutlich erst ab 2002 Kosten senkend auswirken. Telefonica und Telecom werden ab November in Regionen mit einer Telefon-Dichte von mehr als 15 Prozent von den neuen Anbietern eine Leitungsmiete von 1,1 US-Cents pro Minute verlangen, was weit unter den bisherigen 2,3 Cents liegt. Dort wo die Dichte niedriger ist, kostet die Minute 1,3 Cents. Auflage für die neuen Betreiber ist eine Investition von zwei Dollar pro Einwohner im jeweiligen Marktgebiet. Jene Teile des Landes, in denen das Telefongeschäft nicht rentabel ist, werden von einem Fonds subventioniert, in den jeder Marktteilnehmer ein Prozent seines Gesamtumsatzes einzuzahlen hat. So kommen derzeit etwas mehr als 100 Millionen Dollar zusammen. Zwölf Prozent dieses Kapitals sollen in den kommenden drei Jahren für die Entwicklung des Internets in den Schulen aufgewendet werden. Bis jetzt haben die 24 neuen Betreiber insgesamt 86 Lizenzen beantragt. Sie beziehen sich jedoch nur auf 40 der 1.134 möglichen Regionen. Telecom und Telefonica bemängeln, dass sich die neuen Konkurrenten nur für die rentablen Ballunsgzentren wie etwa Buenos Aires, Cordoba oder Rosario interessieren, während die bisherigen Monopolisten in ihrem jeweiligen Teilmonopol in allen Orten mit mehr als 800 Einwohnern vertreten sein müssen. In den Gebieten in denen sich nach der Marktöffnung kein Anbieter meldet, sollen die Lizenzen ähnlich wie in Chile versteigert werden. Den Zuschlag erhält das Unternehmen, das die geringsten Subventionen beantragt. Das dürfte in den meisten Fällen das bereits vor Ort tätige Monopolunternehmen sein. (APA/dpa)