Redmond - Auf einen Entwickler kommt bei Microsoft heute bereits ein Tester. "Die Testmethoden sind nun viel umfangreicher als früher, etwa die Hälfte eines Produkt-Zyklus von zwei Jahren wird für die Testphase eingeplant", erklärte der Steirer Hannes Rüscher, der seit sieben Jahren bei Microsoft in Redmond beschäftigt ist, in einem Interview mit pressetext.austria. Rüscher ist seit drei Jahren für die Entwicklung von PowerPoint verantwortlich, und damit Chef von 55 Mitarbeitern, davon 20 Entwickler, 20 Tester, 10 Programm-Manager (sie bilden die Schnittstelle nach außen), sowie fünf Produktplaner, die vorwiegend mit Marktforschung befaßt sind."intern sehr schlank" An der Entwicklung und Vermarktung von Office 2000, das mit neuen Versionen von Word, Excel, PowerPiont, Access und Outlook seit einem Monat ausgeliefert wird, arbeiten rund 1000 Mitarbeiter, damit ist die Struktur des Konzerns laut Rüscher "intern sehr schlank". An der nächsten Version wird bereits seit Weihnachten gearbeitet. Für den "Mythos Microsoft" hat der Insider Hannes Rüscher eine einfache Erklärung: "Die Mitarbeiter bei Microsoft sind hochmotoviert, und dazu trägt die erfolgsabhängige Entlohnung entscheidend bei." So erhält ein Universitäts-Absolvent zum Einstieg neben seinem Grundgehalt eine Option auf 1000 Stück Microsoft-Aktien. Im Halbjahres-Rhythmus kann ein Achtel der Optionsscheine zum Tagespreis des Vertragsabschlusses eingelöst werden. Nach jedem halben Jahr gibt es eine interne Mitarbeiter-Bewertung (Review), die bei positiven Ergebnissen mit weiteren Aktien-Optionen oder mit Lohnerhöhung belohnt wird. Rüscher: "Bei guten Mitarbeitern ist der Wert der eingelösten Aktien-Optionen wesentlich höher als das Grundgehalt, und das erklärt auch die Motivation." Außerdem sei es Philosophie des Software-Konzerns, Verantwortung so weit wie möglich nach unten zu delegieren. Ab in die Pension? "Mit den Aktien, die ich in den sieben Jahren meiner Tätigkeit bei Microsoft erworben habe, könnte ich heute in Pension gehen", erwähnt der sportliche, vierzigjährige Microsoft-Entwickler in einem Nebensatz. Daran denkt Rüscher natürlich nicht im Ernst, sondern arbeitet vorerst an der nächsten Version von PowerPoint, die in zwei Jahren auf den Markt kommen soll. Danach hofft der Steirer bei Microsoft neue Aufgaben übernehmen zu können. Das Gehalts-Schema von Microsoft ist allerdings gar nicht so ungewöhnlich, sondern laut Rüscher "Silicon Valley Standard". Die oft kritisierte Brutalität des US-Arbeitsmarktes - speziell in Hightech-Branchen gibt es das Wort "Kollektivvertrag" nicht - relativiert der Austro-Amerikaner Rüscher: "Es gibt bei uns keine Überstundenvergütung, doch die Personalabteilung schaut sehr genau, warum Leute kündigen. Und da in unserer Abteilung das Durchschnittsalter in den vergangenen Jahren von 27 auf 34 Jahre angestiegen ist, wurde erst kürzlich der Urlaub um eine Woche verlängert." Das von Programmierern vielkritisierte Betriebssystem Windows erhalte mit Linux einen ernstzunehmenden Konkurrenten, "allerdings nur im Server-Bereich", meint Rüscher. Über Open Source, das Erfolgsgeheimnis von Linux, werde auch bei Microsoft diskutiert, aber diese "komplexe Frage" sei für Microsoft nicht einfach zu beantworten. Rüscher: "Ich sage meinen Entwicklern, sie müssen die Programme so schreiben, als würde morgen Open Source eingeführt, damit soll die Qualität der Software verbessert werden." (pte)