Tun, was wir gesagt haben - sagen, was wir tun werden": Mit diesem Leitspruch der moralischen Erneuerung ist Frankreichs Linksregierung vor nun mehr als drei Jahren angetreten. Weil längst nicht mehr klar ist, wer in Paris sagt, was er tut, und dazu auch noch denkt, was er sagt, ist Lionel Jospins Fünf-Parteien-Koalition in Klausur gegangen, vorbereitet und abgezirkelt wie eine Runde innerkoreanischer Friedensgespräche. Es rumort am rosarot-grünen Kabinettstisch.

Eineinhalb Jahre vor den Präsidentschaftswahlen geht es für Jospin nur noch um den Einzug in den Elysée-Palast und für Grüne und Kommunisten ums Überleben. Aber das will niemand sagen. Neue Reformen sind kaum mehr zu erwarten, die Geschichte einer der erfolgreichsten Regierungen der Fünften Republik ist schon geschrieben. Stabiler als jede ihrer Vorgängerinnen seit de Gaulles Zeiten, getragen vom Image einer kollegialen und - durch bedeutende Ministerinnen - modernen Regierung, hat sie den Großteil ihrer Wahlversprechen wahr gemacht: Abbau der Arbeitslosigkeit, Einführung der 35-Stunden-Woche, Beschäftigungsinitiative für Jugendliche und Zivilehe. Nun aber ist Jospins Regierung Opfer einer Verfassungsanomalie geworden, der "Kohabitation" zwischen Staatspräsidenten und Ministerpräsidenten entgegengesetzter politischer Lager, die koexistieren, selten kooperieren und immer rivalisieren.

Die Folgen spürt auch das Ausland. So ist das erste Treffen zwischen Barak und Arafat in Paris nach Ausbruch der Nahostkrise nicht zuletzt deshalb geplatzt, weil Staatschef Chirac einen schnellen diplomatischen Erfolg für sich wollte und einseitig Israel unter Druck setzte. Und ebenso blockiert durch den Machtkampf an der Staatsspitze schleppt sich Frankreichs EU-Ratspräsidentschaft nun über die Monate, ohne Initiative und intern zerstritten. Nächster Besichtigungstermin ist Anfang Dezember, beim EU-Gipfel in Nizza.

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.11.2000)