Eine Tageszeitung, die ausschließlich im Internet veröffentlicht wird und mit hohen journalistischen Standards punkten will, ist am Mittwoch, rechtzeitig zur Präsidentenwahl in den USA, in Berlin offiziell an den Start gegangen. Chefredakteur der "Netzeitung", die nach dem Vorbild der norwegischen "Nettavisen" konzipiert wurde, ist Michael Maier, früherer Chefredakteur der "Presse", der "Berliner Zeitung" sowie des "Stern". Im APA-Gespräch betonte Maier seine Absicht, mit der "Netzeitung" gegen den "Junk" im Internet anzutreten. Wr machen Journalismus "Content ist etwas, das man irgendwo hineinschmeißt - wir machen Journalismus", umriss Maier seine "Blattlinie" für das Internet. Bereits seit den Olympischen Sommerspielen 2000 in Sydney ist die "Netzeitung" (http://www.netzeitung.de) oline, und die ersten Reaktionen der Nutzer sind laut Maier durchwegs positiv. "Endlich eine Online-Zeitung", so der Grundtenor. Trotz der "viel gelobten Synergien" nähmen viele Nutzer die Web-Angebote von Print-Titeln "einfach nicht als Online-Angebote wahr", meinte der österreichische Medienlegionär. Das norwegische Vorbild "Nettavisen" besteht seit 1996 und konnte in weniger als vier Jahren den Break-even erreichen. Für die "Netzeitung" wollte Maier keine Prognose abgeben: Die Marktverhältnisse in Deutschland würden sich schwieriger gestalten, da auch "die Entwicklung der Medienhäuser schon viel weiter" sei. Keine Chance für E-Commerce Finanziert werden soll die Online-Zeitung aus Bannerwerbung und neuen Werbeformen, "die sich erst herauskristallisieren müssen". Elektronischer Handel soll für die "Netzeitung" keine Rolle spielen. "Wenn wir sagen, wir machen Journalismus, dann verbietet sich für uns E-Commerce", erklärte Maier. Die Leser verlangten nach dieser Trennung, "gerade weil es so viel 'Junk' im Internet gibt. Ich glaube, dass es hier wirklich eine Marktlücke gibt." Das Internet sei ein schnelles Medium, "auch wenn Geschwindigkeit an sich gesehen keine Tugend ist", so Maier. Die "Netzeitung" wird rund um die Uhr aktualisiert. "Alte Nachrichten mögen eine gewisse Würde haben, mich interessieren sie aber nicht". Vor allem im zeitlichen "Gap" am Nachmittag, wenn die Zeitungen des Tages schon gelesen wurden, die Abendnachrichten aber noch auf sich warten lassen, soll die "Netzeitung" die Medienkonsumenten informieren. Sachverhalte aufklären Zugleich aber biete das Internet "hervorragende Möglichkeiten, Sachverhalte aufzuklären" und komplexe Themen zu vermitteln. Investigativem Journalismus könnte daher im World Wide Web wieder ein neuer Stellenwert zukommen, hofft Maier. Inhaltlich setzt er daher neben "klassischen" Zeitungsressorts stark auf den Community-Aspekt. So gibt es ein eigenes Ressort "Universitäten" mit Schwerpunkt auf Wissenschaft und Bildung, führte Maier aus. Recherche-Instrument Nummer Eins ist dabei das Internet. Von seinen Redakteuren verlange er deshalb nicht nur fundierte journalistische Qualifikationen, sondern auch die "Fähigkeit, Quellen im Wold Wide Web richtig zu bewerten und zu gewichten". (APA)