Wien - Übermächtig wirkt immer noch der Bann der Psychoanalyse, in der sich "Erinnerung" als familiäre in familiärem "setting" - Couch oder Lehnstuhl, wie im 19. Jahrhundert - abspielt. Parallel zu Freud entwickelten aber Maurice Halbwachs und die Begründer der "Annales"-Schule (Braudel, Febvre) eine andere Auffassung von "Erinnerung". Sie betonten die kollektiven, geschichtlich abgelagerten Prägungen auch des individuellen Gedächtnisses. Wie wichtig solche Identitäts-Elemente gerade in Umbruchzeiten geworden sind, wird ein vom Historiker Moritz Csáky konzipiertes Symposion deutlich machen: Halbwachs (1877 in Reims geboren, 1945 in Buchenwald ermordet) betonte die Bedeutung von Orten und Gruppenerinnerung in der Ausbildung von Individualität. In dieser Denklinie wird Florin Zigrai aus Bratislava heute der "Beziehung zwischen der kollektiven und der räumlichen Identität nachgehen (16.30). Der Freitag wird Raumkonstruktionen widmen: Akustische Räume in der Musik, also Zitate aus kulturellen Umfeldern (Stephan Eglau, 9 Uhr, Oliver Láng). Aktueller noch die Frage nach der Raumauflösung in Medien: So wird Gabriele Jutz "Zum Wandel der raumzeitlichen Wahrnehmung in der Moderne am Beispiel des Films" sprechen, Lydia Haustein (Göttingen) zum Cyberspace als "heiliger Ort". Ebenfalls Freitag, ab 16.45: Andrei Corbea-Heusie zum "Mikrokosmos Czernowitz" und Wolfgang Kos über "Die Sommerfrische als Übungsgelände bürgerlicher Sentimentalität." Gegen Erstarrung dann der Abschluss am Samstag: der Architekturhistoriker Akós Moravánszky über und gegen den "Erinnerungsort Ringstraßenzeit" (10.45). (rire, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9. 11. 2000).