In diesem Fall vermögen der schönste neue Hosenanzug, die bunte Gratis-Zahnbürste aus dem Hotel und die schnell herbeigeschaffte Luxus-Ersatzunterhose die selbst eingepackte Ausstattung nicht wirklich zu ersetzen. Da hilft es auch nichts, dass die Versicherungen der Carrier tief in die Tasche greifen, um die erlittenen Unannehmlichkeiten zu mildern. Die Verlustängste bleiben fortan ständiger Reisebegleiter.
Wem doppeltes Pech widerfährt, weil der verlustig geratene Koffer sämtliche Namensschilder verloren hat und so den Weg zu seinem Besitzer nie wieder findet, für den gibt es nun einen digitalen Hoffnungsschimmer. Das deutsche Online-Auktionshaus www.ricardo.de versteigert nämlich einmal pro Monat liegengebliebene Koffer. Mit etwas Glück kann das vermisste Stück also aus dem virtuellen Pfandl herausgekauft werden. Vorausgesetzt, man erkennt es auf den im Netz abgebildeten Fotos.
Auch sonst kann der virtuelle Bieterwettstreit lohnend sein: So fiel einem deutschen Käufer nach der ersten Online-Versteigerung im Juli eine vollständige Fotoausrüstung in die Hände, als er den eben erworbenen Überraschungs-Koffer öffnete. Den Gesamterlös aus der Versteigerung der ersten 50 Koffer und Reisetaschen beziffert Ricardo-Sprecher Matthias Quaritsch mit umgerechnet 70.000 bis 100.000 Schilling (bis zu 7700 EURO). Abgewickelt werden die Online-Auktionen in der Verantwortung des Auktionshauses Wendt, dem langjährigen Auktionspartner der Lufthansa.
Nach welchen Kriterien soll der Kauflustige nun vorgehen? Heinz D. Wendt, der Auktionator der Lufthansa hat eine Faustregel parat: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass hochwertige Koffer in der Regel auch hochwertigen Inhalt haben." Trotzdem bleibt es spannend: Denn niemand weiß, was wirklich drin ist, wo außen nichts draufsteht. Es kann nur Schmutzwäsche ebenso sein wie Designer-Klamotten oder ein Laptop.
Die Auktion, die vorerst auf den Flughafen Frankfurt beschränkt ist, könnte künftig auch auf andere deutsche Airports ausgeweitet werden, sagt Quaritsch. Die URL www.ricardo.de sollte man sich also unbedingt als Bookmark anlegen, die nächsten Versteigerungstermine sind auch dort zu finden.
Bis Reisegepäck auch in Wien-Schwechat versteigert werden wird, wird es aber noch dauern. Dort werden überhaupt keine öffentlichen Lost & Found-Auktionen durchgeführt. "Zu viel Aufwand, viel zu teuer", winkt eine Flughafen-Sprecherin ab. Liegen gebliebene Koffer werden nach fünf Tagen unter anderem auf verderbliche Güter untersucht (Essen ist trotz Verbots ständig mit an Bord) und – so eine Identifikation auch auf Grund des Inhalts unmöglich ist – karitativen Organisationen zugeführt. Eine Vorsortierung wird übrigens überall auf der Welt vorgenommen, denn der Datenschutz verbietet es, persönliche Dinge wie etwa Tagebücher an fremde Personen weiterzugeben. Luise Ungerboeck