Wien - "Eine gutwillige Regierung in Belgrad war eigentlich der schlimmste Fall, der eintreten konnte", bekennt ein OSZE-Diplomat in Wien. Das kunstvolle völkerrechtliche Gefüge, das seit der Nato-Intervention um den Kosovo errichtet wurde, droht in diesen Tagen zu zerbrechen. Sechs Wochen vor den Parlamentswahlen in Serbien ist noch immer unklar, ob der UN-verwaltete Kosovo an ihnen teilnehmen soll. Am heutigen Freitag soll die Bundesrepublik Jugoslawien nach achtjähriger Suspendierung feierlich wieder in die OSZE aufgenommen werden. Dann entscheidet Jugoslawien mit - auch zum Beispiel über das Budget der OSZE-Kosovo- Mission für 2001, das noch nicht verabschiedet ist. Die OSZE spielt in der Provinz eine wichtige Rolle: Die Resolution des Sicherheitsrates, Grundlage für die internationale Verwaltung des Kosovo, trägt der Organisation auf, "Wahlen" in der Provinz zu organisieren. Sie sagt aber über deren Zugehörigkeit zu Serbien nichts aus. Wählt nun der Kosovo am 23. Dezember mit, werden heftige albanische Reaktionen befürchtet. Wählt er nicht mit, wird der neue, demokratische Präsident Jugoslawiens, Vojislav Kostunica, innenpolitisch ernstlich geschwächt. Ob gewählt werden kann, wird schließlich als Vorentscheidung über den künftigen Status der Provinz betrachtet. Daan Everts, Leiter der OSZE-Mission in Pristina, denkt über Wege nach, die harte Alternative zu umgehen. So könne man möglicherweise den Serben im Kosovo eine Briefwahl gestatten. Für den Fall, dass wirklich Wahllokale errichtet werden, befürchten vor allem die Soldaten der internationalen Friedenstruppe gewaltsame Übergriffe von albanischer Seite. Organisationshilfe Man könne bei der serbischen Wahl "auf niedrigem Niveau" Organisationshilfe leisten, deutet Everts an. Das aber hat die OSZE schon bei der jugoslawischen Wahl am 24. September getan, von der die serbische Wahl aus Statusgründen klar abgesetzt werden muss. Möglich sei auch, dass die Wahl im Kosovo wegen "technischer Probleme" ausfallen müsse: Das Wählerregister, das in der Republik Serbien geführt wird, ist veraltet und fehlerhaft. Unklar ist aber, ob die Garantiemächte sich auf einen solchen Ausweg einlassen werden. Die österreichische OSZE-Präsidentschaft neigt dazu, die Wahlen abzuhalten, um Kostunica nicht zu verärgern. Im Fünferrat der Kosovo- Besatzungsmächte herrscht keine Einigkeit; nur Russen und Franzosen wollen serbische Wahlen im Kosovo. Formal steht die Entscheidung dem UN-Verwalter Bernard Kouchner zu, der gegen die Wahlen ist. De facto aber entscheidet UN-Generalsekretär Kofi Annan - nach Konsultationen mit den Großmächten. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 10. 11. 2000)