Schön langsam muss man sich ernste Sorgen um die FPÖ machen. Noch scharen sich die Treuesten der Treuen, die Leserbriefschreiber der "Kronen Zeitung", um das blaue Panier, wie erst vorgestern: Dieses scheinheilige Getue um die Spitzelaffäre ist nicht mehr auszuhalten. Aber Zweifel und Wankelmut nehmen zu, wofür Dienstag ein erschütterndes Beispiel geliefert wurde. Unter dem Titel Gute Nacht, FPÖ! schrieb da ein seelisch aufgewühlter Grazer: "Krone"-Leser haben es schon von Anfang an gewusst: Das mit der schwarz-blauen Koalition musste schief gehen.

Das muss irgendwann einmal im Horoskop gestanden sein, oder der Mann verfügt über die Gottesgabe, zwischen den Zeilen des Kleinformats herauszulesen, was hineinzuschreiben den Redakteuren gar nicht erlaubt war: Eine Partei kann nicht gleichzeitig in der Opposition und in der Regierung sein. Das wird sicher einmal in der "Krone" stehen - dann, wenn alles vorbei ist. Bisher haben wir dort nicht einmal gelesen, was der "Krone"-Fan sonst noch bemerkt hat: Außerdem hatte man den Eindruck, dass Haider mit unterschwelliger Absicht schlechte Leute nach Wien brachte. Das ist nicht einmal der ÖVP aufgefallen, und die müsste es ja wissen.

Was aber jetzt? fragt der Leser bang und greift frech einer erst kommenden Blattlinie vor. In der Spitzelaffäre gilt absolut weiter die Unschuldsvermutung . . . , aber dass eine große Gruppe innerhalb der Polizei jahrelang für Geld (aus der Parteikasse) Missbrauch der Amtsgewalt betrieben haben soll, wenn sich das bestätigt, dann "Gute Nacht, FPÖ!"

Na, na, so schlimm wird's schon nicht werden für das Stammpublikum der "Krone". Für andere, die unter dem Vorwand, Jörg Haider kritisch gegenüberzustehen, mit ihm ihr Geschäft betreiben, könnte dessen Abgang freilich existenzgefährdende Konsequenzen haben: Wo nimmt man alle zwei Wochen eine dämonische Cover-Story her, wenn sich das einfache Mitglied - möge der Herr vor sein! - in ein Privatleben nach Gutsherrenart zurückzieht? So leicht, wie in den letzten Jahren, speziell aber in den letzten Wochen, würden es die Fellners dann nicht mehr haben.

Wie Haider Schüssel stürzen will - Sprengt er die Koalition? - Neuwahlen schon 2001 dröhnte es am 19. Oktober vom "NEWS"-Titelblatt. Darüber der komisch-gruselig beleuchtete Schädel des Mitspielers in diesem Medienspiel. Eine Hand wäscht die andere: "NEWS" schenkte ihm ein ganzseitiges Interview, aus dessen dunkel-belanglosen Andeutungen - Der Herr Schüssel muss in Zukunft seine Partei in den Griff kriegen, oder er steht bald ohne Koalitionspartner da - das Magazin Aufreger destillierte wie: Der Ex-FP-Chef will Neuwahlen provozieren und als "Retter der Nation" einreiten.

Zwei Nummern später hatte es sich ausgeritten, und "NEWS" hatte Haider schon wieder auf dem Titelblatt. Diesmal war's nix mit Retter der Nation, im Gegenteil: Haider vor dem Sturz wurde der Leser vorne knallhart desinformiert. Drinnen wurde er schon etwas weicher gefragt: Stürzt Haider über die Spitzelaffäre? Noch ehe die Leser auf diese verzwickte Frage für sich selbst eine Antwort finden konnten - im Blatt wurde sie leider auch nicht geliefert -, war schon die nächste Nummer des Magazins auf dem Markt. Wieder groß mit Haider auf dem Cover, diesmal dem Anlass entsprechend mit Sonnenbrille: Das Putsch-Szenario. Drinnen wieder die Frageform: Alles oder nichts - Plant er den Putsch - oder schmeißt er alles hin?

Ja, was nun? Der Leser konnte nach Gusto wählen. Einerseits Marsch auf Wien. Wie Jörg Haider die Spitzel-Krise nützen will und seine Rückkehr nach Wien vorbereitet. Als Klubobmann, Vizekanzler oder zumindest FPÖ-Parteichef. Andererseits Kanzlerplan. Wie er 2001 die Regierung sprengen, Neuwahlen provozieren und seinen Wunschtraum vom Bundeskanzler doch noch in die Tat umsetzen will. Hatten wir das nicht schon drei Wochen zuvor, nur ohne Putsch? Gewiss, Haider will Kanzler werden, es ist nur noch offen, ob "NEWS" die Rettung der Nation vor seinem Sturz und nach dem Marsch auf Wien oder nach dem Putsch und vor den Neuwahlen anzusetzen gedenkt.

Sorgen bereitet die FPÖ überraschenderweise aber auch der "Wiener Zeitung". Nach dem wüsten Angriff des Freiheitlichen Pressedienstes auf die APA erfuhr die Agentur Mittwoch manche Solidaritätsbezeugung, so auch unter dem Titel "Wiener Zeitung" empört die folgende: Die Angriffe des FPD auf die APA haben in der Redaktion der "Wiener Zeitung" Empörung ausgelöst. Dem musste ein paar Stunden später die Korrektur nachgeschickt werden, es müsse im Titel richtig heißen: "Wiener Zeitung"-Redakteure empört, ferner in Teilen der Redaktion (nicht in der Redaktion).

Das wirft die Frage auf, wer in der "Wiener Zeitung", die ja noch immer das Amtsblatt der Republik Österreich und noch nicht der "Freiheitliche Beobachter" ist, über die Empörung der Redaktion verfügt. Der Chefredakteur? Kaum. Der ist auch Präsident der Concordia, und diese hat vehement gegen die Ausfälle des FPD protestiert, wie Donnerstag in der "Wiener Zeitung" zu lesen war. Der Protest ihrer eigenen Redakteure wurde dort allerdings sorgfältig verschwiegen. Na ja, da hat sich wohl irgendein Wichtigmacher Sorgen gemacht und geglaubt, er müsse FPÖ und Koalition retten.
Günter Traxler