Graz - Einen Ort, der schmerzvoll wirbelnde Erinnerungen weckt, trägt jeder in sich. Für die heute 76-jährige Jüdin Edith Basch, geborene Schwarz, ist dieser Graz. Und doch ist Frieden in ihrem fein ziselierten, schönen Faltengesicht zu lesen, als die Emigrantin sagt: "Ich habe lange überlegt zu kommen. Aber jetzt bin ich hier und nehme von allem das Beste. Das hilft." Sie ist nach 42 Jahren auf Einladung der Grazer Israelitischen Kultusgemeinde wieder an ihren Geburtsort zurückgekehrt. Die Reichskristallnacht liegt lange zurück. Die Sprache ihrer Erinnerung ist dennoch frisch. Sie war Vierzehn. "Die Nachbarn haben alle schrecklich gelacht, als uns die Nazis mitten in der Nacht aus unserer Wohnung am Grieskai holten. Sie haben uns zum brennenden Tempel getrieben." Als Kind wurde sie verschont. Ihr Vater nicht. "Er hat sich von seiner Zeit in Dachau nie mehr erholt." Bei diesen Sätzen ist ihr fast jugendlicher Körper plötzlich steinern. Sie atmet schwer. Sie freue sich jedoch darauf, die neu errichtete Synagoge zu sehen. Für sie nur "der" Tempel. Das Lebenszentrum ihrer Kindheit. Nicht nur ein Ort für den Religions- und Hebräischunterricht. Sondern auch Spielplatz der Kinder aus der kleinen jüdischen Gemeinde. "Wir blieben eigentlich immer unter uns. Dort hat sich alles abgespielt. Es war ein sehr geborgenes Gefühl." Doch nach jener Nacht war das Leben reduziert. Die Atmosphäre vergiftet: "Wir durften auf keiner Gartenbank sitzen. Kein Theater. Kein Kino. Kein Nichts." Es war der "Kindertransport", England öffnete im Jänner 1939 für 1000 jüdische Kinder seine Schleusen, der sie über London nach Los Angeles führte. Dort lebt die Mutter zweier Kinder und ehemalige Sekretärin bis heute. L.A. ist ihre Heimat. "Es war schwer mit so viel Hass zu leben. Doch die neue Generation ist anders. Das muss man schätzen." Vergessen könne sie nie. (STANDARD-Mitarbeiterin Andrea König, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.11.2000)