Wien - Zum Regierungsvorhaben, die Gemeinsame Obsorge - laut Gesetzesentwurf die "Obsorge beider Elternteile" - für Scheidungskinder auch in Österreich zu ermöglichen, wurden am Freitag im Parlament die Stimmen von ExpertInnen gehört. Sie sprachen sich überwiegend grundsätzlich dafür aus, die "Obsorge beider Elternteil" zu ermöglichen. Einige Detailregelungen wurden allerdings kritisiert. In Deutschland, wo 1998 die "gemeinsame elterliche Sorge" eingeführt wurde, hat man bisher "recht gute Erfahrungen" gemacht, berichtete der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Familiengerichtstages, Ulrich Deisenhofer. Die deutsche Regelung geht etwas weiter als das österreichische Vorhaben: Dort läuft automatisch, ohne irgendeine Vereinbarung - für Österreich ist eine über den Aufenthaltsort des Kindes vorgesehen - gemeinsame Obsorge weiter, außer es wird ein Antrag gestellt. Deisenhofer hält den österreichischen Entwurf für besser. Keine Garantie durch Gesetz Der Wiener Psychotherapeut Helmuth Figdor hält die Möglichkeit zur Gemeinsame Obsorge für richtig. Er erwartet sich davon zwar nicht, dass es dann allen Scheidungskindern "gut geht", aber zumindest doch, "dass ein bisschen weniger Väter ihre Kinder im Stich lassen und ein bisschen weniger Mütter den Kontakt zum Vater torpedieren". Ein Gesetz allein könne die Fähigkeit der Eltern, gemeinsame Obsorge auch zu leben, aber nicht garantieren. Dies müsste man sich auch etwas kosten lassen - und die Unterstützungs- und Beratungsangebote so ausbauen, dass sie sich auch ein breiter Kreis leisten kann. Auch Univ.Prof. Astrid Deixler-Hübner vom Institut für Zivilprozessrecht an der Uni Linz steht der Gemeinsamen Obsorge positiv gegenüber, "aber nur, wenn sie vom gemeinsamen Willen beider getragen wird". Am vorliegenden Regierungsentwurf bemängelte sie, dass er nur Rechte der Eltern vorsieht. Dabei sollten "beide in die Pflicht genommen werden, sich zu kümmern" - auch der Vater, bei dem das Kind nicht lebt. Alle drei ExpertInnen halten eine geplante Regelung für problematisch - nämlich die, dass, wenn ein Elternteil einen Antrag auf alleinige Obsorge stellt, das Gericht das Sorgerecht dem Elternteil zuzusprechen hat, bei dem das Kind überwiegend wohnt. Man sollte nicht nur am Wohnort des Kindes anknüpfen, sondern müsste den Richtern die Möglichkeit geben, auch auf die anderen Faktoren für das Kindeswohl abzustellen. Das ExpertInnenhearing zur Gemeinsamen Obsorge wird kommenden Mittwoch Nachmittag fortgesetzt. ÖVP und FPÖ wollen am Mittwoch nach dem Hearing im Justizausschuss die Kindschaftsrechtsreform - allenfalls mit Korrekturen - beschließen. (APA)