Natur
Die Orang-Utans stehen vor dem Ende
Die Situation unserer fernöstlichen Vettern ist für Experten Willie Smits "ziemlich verzweifelt"
Wien - "Vor zwei Tagen habe ich Uce wiedergesehen, und ihr Junges, das sie mir stolz zeigte, ist schon sehr groß",
berichtet Biologe Willie Smits am Rand eines Vortrags in Wien dem STANDARD, "aber generell ist unsere Situation derzeit
ziemlich verzweifelt."
"Unsere Situation", das ist die der akut bedrohten noch 13.000 Orang-Utans in Sumatra und Borneo und die von Smits, der
1991 - damals gab es noch 25.000 wild lebende Orang-Utans - eine Station zur Rehabilitierung von Orang-Utan-Waisen
gegründet hat. Sie waren Opfer des doppelten Drucks auf die "Waldmenschen", deren Habitate weggerodet und deren Junge -
unter vorheriger Tötung der Mütter - weggefangen wurden: Auf dem lokalen Schwarzmarkt bringt so ein Haustier 150 Dollar,
nach Japan eingeschmuggelt 15.000 Dollar.
Touristen-Krankheiten
Zwar gab es damals schon andere Stationen zur Rehabilitation von Orang-Utan-Waisen, aber die sind "große Zirkusse, auf
denen Touristen staunen dürfen, wie Orang-Utans zum Milchtrinken kommen". Diese - gut gemeinten - Projekte brachten die
Tiere in zu große Nähe mit Menschen und setzten sie anschließend in Wäldern mit bestehenden Populationen aus. Dorthin
brachten sie Krankheiten des Menschen mit - von TB bis Malaria -, die nun auch die Wildpopulationen (zusätzlich) bedrohen.
Smits schlug deshalb mit seiner "Balikpapan Orangutan Survival Foundadition" (BOS) einen anderen Weg ein: Er setzt
aufgepäppelte Tiere in Gebieten ohne Wildpopulationen aus. "Über 300 haben wir seit 1992 freigesetzt, und sie haben das
schwierige Überleben - sie müssen 400 Futterpflanzen unterscheiden lernen und ihr Sozialsystem aufbauen - gut gelernt."
Sofern man sie lässt. In den 90er-Jahren nahmen die Rodungen der Regenwälder ein immer irrwitzigeres Tempo an, dann
kamen 1997 und 1998 die großen Waldbrände, denen wieder Tausende zum Opfer fielen, entweder direkt den Flammen oder
dem Futter- und Wassermangel, der die Tiere in Konkurrenz mit Menschen trieb.
Inzwischen kommt neben obligatorischem Geldmangel noch das politische Chaos in Indonesien, das die ohnehin hoch
riskante Arbeit Smits' - er kann die Morddrohungen und Auseinandersetzungen bei Beschlagnahme illegal gehaltener
Orang-Utans kaum mehr zählen - aussichtslos erscheinen lässt: Die Wälder werden wild gerodet, Polizei schreitet nicht mehr
ein.
Umso angenehmer die Erfolgsmomente: Uce, ein Weibchen, wurde 1992 von Smits freigesetzt. Aber sie fürchtete sich, Smits
machte ihr Mut, indem er ein Blatt zum Essen mit ihr teilte. Jahre später sah er sie wieder, und sie erkannte ihn nicht nur
wieder und gab ihm nicht nur ihr Baby in die Hände - sie pflückte auch ein Blatt und teilte es mit ihm. (Jürgen Langenbach, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11./12. 11. 2000).