Wien - Der Wirtschaftsmotor steht in Österreich zwar immer noch unter Volldampf, das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) registriert aber in seinem jüngsten Konjunkturtest erste Anzeichen einer bevorstehenden Wachstumsverlangsamung. Ausschlaggebend dafür sei der Anstieg der Erdölpreise, der deutlich auf die Stimmungslage der Unternehmer drücke. Denn zum einen führe er zu einer Verschlechterung der Kostensituation, zum anderen beeinträchtige er die Kaufkraft der privaten Haushalte und führe damit zu einer Abschwächung der Nachfrage, analysiert Wifo-Experte Markus Marterbauer.

Der Boom in der Industrieproduktion dürfte demnach seinen Höhepunkt im Sommer erreicht haben. Die Wertschöpfung der Sachgütererzeugung sei im ersten Halbjahr real um 7,5 Prozent über dem Niveau des Vorjahres gelegen. Auch im dritten Quartal deuteten Umfragewerte und Beschäftigungsdaten noch auf einen ähnlich hohen Zuwachs, insgesamt habe die Industrieproduktion damit bis zum Herbst so stark zugenommen wie seit 1994 nicht mehr, schreibt Marterbauer im Wifo-Bericht.

Kapazitätsauslastung der Industrie immer noch sehr hoch

Mit durchschnittlich knapp 85 Prozent liege die Kapazitätsauslastung der Industrie auch im laufenden vierten Quartal immer noch sehr hoch. Die in Umfragen erhobenen Stimmungsindikatoren aber zeigen ein gegenüber dem Frühjahr eingetrübtes Geschäftsklima. Die Erwartungen zur künftigen Produktion und die Einschätzungen der Auftragslage fielen gedämpfter aus als zuletzt.

Dabei handle es sich nicht um ein bloß temporäres Stimmungstief, erklärt Marterbauer, die Verschlechterung in den Zukunftsperspektiven habe eine reale Basis: Die starke Verteuerung der Energie habe auf der Haushaltsebene in den vergangenen Monaten den Zuwachs der Bruttoeinkommen weitgehend aufgezehrt. Dass die Nettomasseneinkommen heuer dennoch steigen, sei der Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer und der Ausweitung der Familientransfers zu verdanken.

Mit Jahreswechsel käme aber mit den geplanten Steuererhöhungen zur Erreichung des Nulldefizits die Kaufkraft und damit der private Konsum zusätzlich unter Druck. Die Nachfragesituation sei daher in Österreich auf längere Sicht eingebremst.

Am deutlichsten seien die Hinweise für eine Abschwächung unter den Erzeugern von Vorleistungen, bei denen auch der Energiegehalt am höchsten ist, sagte Marterbauer. In der Investitionsgüterindustrie hingegen ist die Dämpfung noch kaum auszumachen. Dazu könnten aber auch Vorzieheffekte aufgrund des im kommenden Jahr auslaufenden Investitionsfreibetrags beigetragen haben.

Prognosen bestätigt

Die Ergebnisse des Konjunkturtests liegen innerhalb der Prognoseerwartungen des Wifo. Dieses hatte zuletzt eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums von heuer 3,5 auf 2,8 Prozent im Jahr 2001 vorhergesagt. Dabei wurde für heuer schon von einem schwächeren zweiten Halbjahr ausgegangen, im ersten Halbjahr wuchs die heimische Wirtschaftsleistung real noch um vier Prozent.

Dennoch liege auch die wirtschaftliche Dynamik der zweiten Jahreshälfte immer noch klar über dem langjährigen Durchschnitt. (jost, D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 14 . 11. 2000)