Während Österreich in diesen Tagen entschieden gegen das grenznahe Atomkraftwerk Temelín kämpft, droht - nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit - Atomgefahr auch von ganz anderer Seite. Hat doch die Atomlobby eine Hintertür gefunden: Unter dem Deckmantel des Klimaschutzes will sie die Nuklearenergie als Beitrag zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen verkaufen. Und die Chancen dafür stehen gut. Denn bei der diese Woche in Den Haag stattfindenden internationalen Klimakonferenz werden die Spielregeln für die künftige Klimapolitik festgelegt.
Es wird darum gehen, welche Maßnahmen als Beitrag zum Klimaschutz angerechnet werden dürfen und welche nicht. Für die Nuklearindustrie wäre eine Anrechnung ein gefundenes Fressen, da die Branche im Westen und den USA längst als Auslaufmodell gilt und daher nun mit Investitionen in Osteuropa und den Entwicklungsländern verlorenes Terrain wieder gutmachen will.
Atomkraft als Beitrag zur Lösung ökologischer Probleme ist spätestens seit Tschernobyl mehr als zynisch. Doch selbst auf EU-Ebene scheinen so manche Ländervertreter auf die Atomkraft für den Klimaschutz zu setzen, Hardliner dabei ist das EU-Vorsitzland Frankreich. In Kürze könnte es demnach passieren, dass Frankreich eine Investition in Ost-AKW à la Temelín oder Bohunice als klimaschützende Maßnahme angerechnet bekommt!
Und Österreich? Seit über zwölf Jahren wird nun schon international über Maßnahmen zum Schutz des Weltklimas diskutiert, und in all diesen Jahren war die Republik auf unzähligen Konferenzen und Gipfelgesprächen stets durch ÖVP-Umweltminister vertreten, die keine Gelegenheit versäumten, sich durch vollmundige Ankündigungen ins Rampenlicht zu rücken.
Faktum ist: Bis 2012 muss Österreich im Rahmen einer Aufteilung der Reduktionslasten innerhalb der EU 13 Prozent seiner Treibhausgas-Emissionen - gemessen am Jahr 1990 - reduzieren, um das so genannte Kyoto-Ziel zu erreichen. Doch Österreichs Treibhausgas-Ausstoß steigt und steigt.
Stiefkind der heimischen Politik
Nach vier Jahren Wartezeit hat die Bundesregierung nun ein Mindestpaket vorgelegt, das hauptsächlich Förderungsmaßnahmen für den Klimaschutz vorsieht. Das heißt: Statt gesetzliche Vorgaben zu machen, will man ausschließlich über finanzielle Anreizförderungen steuern.
Eine solche Vorgangsweise mag zwar aus politisch-strategischer Sicht bequem erscheinen, zielführend in der Sache ist sie nicht, zumal das Fördermodell einen kleinen, aber entscheidenden Nachteil hat: Es ist teuer - und daher in Zeiten der Sparbudgets kaum finanzierbar. Zur Realisierung des Klimaschutzpaketes wären laut Angaben des Umweltministeriums pro Jahr zusätzlich 1,25 Milliarden Schilling notwendig. Ein Blick auf das vorliegende Budget für 2001 lässt erkennen, wie ernst es der Regierung tatsächlich ist: Läppische 75 Millionen Schilling sind zusätzlich für Klimaschutzmaßnahmen vorgesehen!
Die heimische Klimapolitik befindet sich in der Zwickmühle: Einerseits traut man sich nicht über gesetzliche Vorgaben - etwa die Einführung von Ökosteuern - drüber. Andererseits fehlt das nötige Geld für klassische Förderungsmaßnahmen. Mühle auf, Mühle zu.
Die Chancen liegen auf der Straße
Dabei wäre es gar nicht so schwierig, die Treibhausgas-Emissionen wirkungsvoll zu reduzieren. Es braucht dazu nur etwas Gestaltungswillen (der den verantwortlichen Politikern aber offensichtlich längst abhanden gekommen ist). Stichworte: Wärmedämmung, Fernwärmeausbau, Althaussanierung, verpflichtende Abwärmenutzung bei Abfallverbrennungsanlagen ... Darüber hinaus liegen große Chancen im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße: Sofortige Einführung der Lkw-Maut, Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes.
Überhaupt muss zur Erreichung des Kyoto-Ziels der Schwerpunkt eindeutig auf nationaler Ebene liegen. Auch wenn die Ambitionen der internationalen Staatengemeinschaft in eine ganz andere Richtung gehen: Sie plant, den Handel mit Treibhausgasen in den Mittelpunkt der Debatte zu rücken, und schlägt in diesem Zusammenhang vor, dass Staaten grenzüberschreitend so genannte "flexible Maßnahmen" setzen können, die ihnen dann jeweils für ihre Reduktionspflichten angerechnet werden.
Klingt kompliziert - und ist es auch. Denn noch sind unzählige Fragen offen. Und diverse Schlupflöcher sind noch nicht gestopft: So kann es leicht passieren, dass sich große Klimasünder von ihren Pflichten ganz einfach freikaufen.
Was für den Klimawandel nur eines bedeuten kann: Er nimmt unaufhörlich seinen Lauf. Und mit ihm die Naturkatastrophen. Wenn nicht endlich konkrete Gegenmaßnahmen gesetzt werden. Last Exit Den Haag!
Mag. Ulli Sima ist Umweltsprecherin, Mag. Anita Voraberger parlamentarische Mitarbeiterin der SPÖ.