Literatur
Wie es wurde, was es ist...
"40 Jahre manuskripte" als rauschendes Fest im Grazer Schauspiel
Mattias Fontheim
, dem neuen Grazer Schauspielchef, verschlug es fast die Sprache. Denn wann, fragte er bei seiner Begrüßung, habe ein Theaterdirektor schon die Gelegenheit, derart viele namhafte Schriftsteller in seinem Haus begrüßen zu dürfen? Es scheinen mindestens 50 gewesen sein, die der Einladung von
manuskripte
-Herausgeber Alfred
Kolleritsch
gefolgt waren, das 40-Jahre-Jubiläum der Literaturzeitschrift am Sonntagabend zu feiern: Von Gerhard
Roth
über Wolfgang
Bauer
und Elfriede
Gerstl
bis zu Peter
Handke
, der eigens aus Paris angereist war.
Die Feier geriet zu einer Demonstration der Zuneigung: Derart gut besucht ist das Schauspielhaus ansonsten nur, wenn ein Matura-Ball stattfindet. Jeder Stehplatz, jeder Gang wurde okkupiert, um Kolleritsch mit Standing Ovations zu feiern. Und dieser war sichtlich gerührt. Auch deshalb, weil Gerhard
Nierhaus
eines seiner Gedichte vertonte: Die Komposition wurde von Heidrun
Müller
sozusagen als Ouvertüre zur Uraufführung gebracht.
Höhepunkt stellte die Überreichung des
manuskripte
-Preises an Elfriede Jelinek dar. Die ÖVP-Politiker in Mannschaftsstärke - von Landeshauptfrau Waltraud
Klasnic
über Landesrat Gerhard
Hirschmann
, dem neuen Kulturreferenten, und
Strobl
, dem Grazer Kulturstadtrat, bis zu Kunststaatssekretär Franz
Morak
- klatschten eifrig; Peter
Schachner-Blazizek
(SP), am Sonntag formell noch für die Kultur des Landes zuständig, fehlte.
Fulminante Erinnerung
Michael
Scharang
hielt die launige Laudatio - nicht nur auf Jelinek, mit der er seit 31 Jahren eine Freundschaft pflegt, sondern auch auf Kolleritsch, der bei der Textauswahl "nach Qualität entscheidet, also nach seinem Gutdünken". Libgart
Schwarz
las danach fulminant aus
Die Liebhaberinnen
, dem ersten Jelinek-Text, der in den
manuskripten
abgedruckt worden war.
Gert
Jonke
, Paul
Wühr
, Kurt
Neumann
, Antonio
Fian
, Peter
Turrini
und andere lasen im Anschluss selbst. Doch da setzte schon eine leichte Saalflucht ein. Und während drinnen noch gelesen wurde, nippten an der Bar derweilen Handke, Roth, Günter
Brus
, Peter
Rosei
und Günter
Waldorf
, der
manuskripte
-Mitherausgeber, am Kolleritsch-Wein aus der Südsteiermark. Und man blätterte in der druckfrischen Nummer 150, mit 250 Seiten eine der voluminösesten überhaupt. Amina Handke legte die Platten auf; und der Germanist Gerhard
Melzer
, ein echter Wegbegleiter, war begeistert: "Wie in den 60er-Jahren!"
Am Montag folgte ein echtes Ritual: Alfred Kolleritsch fuhr mit seinen Autoren in die Südsteiermark.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14. 11. 2000)