Wien - Die Bediensteten des europäischen Forschungszentrums CERN in Genf protestieren in einer Aussendung am Dienstag gegen die Anfang November bekannt gegebene Schließung des LEP-Teilchenbeschleunigers. Auch Walter Majerotto, Direktor des Instituts für Hochenergieforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), hat keine Freude mit der Entscheidung des CERN-Generaldirektors. Der Elektron-Positron-Beschleuniger (LEP) war seit 1989 in Betrieb. In einer derartigen Anlage werden Teilchen - in diesem Fall Elektronen - etwa mittels Magnetfeldern auf hohe Energien beschleunigt und dann zur Kollision gebracht. Dabei zerplatzen die Teilchen in einen Schauer von Trümmern, mittels Detektoren wird dieser Vorgang aufgezeichnet und später ausgewertet. Generell gilt: Je höher die Energie, desto exotischer die Trümmer und desto tiefer dringt man in den Aufbau der Materie ein. "Das Higgs" Nachdem ein Ende des LEP-Betriebes absehbar wurde, belasteten die Physiker am CERN die Anlage in den vergangenen Monaten bis zum äußersten und kamen damit in Bereiche, in denen der Nachweis des so genannten Higgs-Teilchens möglich wurde. Dieses Teilchen ist nach der weitgehend anerkannten Standard-Theorie dafür verantwortlich, dass andere eine Masse haben. "Das Higgs" ist das letzte Teilchen dieser Standard-Theorie, dessen Nachweis noch aussteht. Die allfällige Entdeckung wird daher als "höchst nobelpreisverdächtig" angesehen. Tatsächlich gelangen vier Gruppen am CERN Experimente, bei denen sie jedenfalls Hinweise auf das Higgs-Teilchens erhielten. Darunter waren auch das Forschungsprogramm ALEPH mit Beteiligung des Instituts für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und DELPHI mit Beteiligung des ÖAW-Instituts für Hochenergiephysik. Die ursprünglich für Sommer geplante Stilllegung des LEP wurde daher um zwei Monate verschoben. "In dieser Zeit erhärteten sich die Hinweise auf das Higgs-Teilchen, von einer statistisch gesicherten Aussage 'wir haben es entdeckt' sind wir leider noch entfernt", sagte Majerotto im Gespräch mit der APA. Die Wissenschafter hofften daher auf eine weitere Ausdehnung des LEP-Betriebs auf wenigstens ein halbes Jahr. Allerdings hätte das auch eine Verzögerung des Baubeginns der Nachfolgeanlage "LHC" bedeutet, da für diese Teile des LEP verwendet werden. Letztendlich konnten sich die zuständigen wissenschaftlichen Gremien zu keiner einheitlichen Empfehlung durchringen. So beschloss der CERN-Generaldirektor Luciano Maiani, den LEP-Beschleuniger am 2. November endgültig stillzulegen. Damit sind die europäischen Forscher beim Wettlauf um das Higgs-Teilchen jedenfalls für fünf Jahre aus dem Rennen, denn dann wird der LHC frühestens in Betrieb gehen. "Es gibt berechtigte Befürchtungen, dass uns die Amerikaner - speziell das Fermi-Lab in Chikago - bei der Entdeckung dieses wichtigen Teilchens zuvorkommen und die Lorbeeren dafür ernten", sagte Majerotto. Kritisiert wird von vielen beteiligten Wissenschaftern auch die Art der Entscheidungfindung am CERN. Ob der Spruch Maianis noch revidiert werden kann, ist unklar. Für den kommenden Freitag ist jedenfalls eine Sitzung des CERN-Councils, angesetzt. "Eigentlich ist nur geplant, dass das Council die Entscheidung Maianis nachträglich billigt", so Majerotto, der an der Sitzung teilnehmen wird. (APA)