Die Vergabe von Internet-Adressen in traditionellen asiatischen Schriftzeichen ist in der Netz-Gemeinde auf Kritik gestoßen. Auf einer seit Montag tagenden Versammlung der Aufsichtsbehörde ICANN in Marina del Rey im US-Bundesstaat Kalifornien bezeichneten die Vertreter mehrere Internet-Organisationen die Verwendung chinesischer, japanischer und koreanischer Zeichen als verfrüht. Außerdem drohe damit eine neue Welle von "Domain-Grabbing". Dabei werden Adressen mit bekannten Markennamen aufgekauft, um sie später mit Gewinn weiter zu veräußern. Die VeriSign Inc-Tochter Global Registry Services hatte vergangene Woche begonnen, Internet-Adressen mit den Endungen ".com", ".net" und ".org" in traditionellen asiatischen Schreibweisen zu registrieren. Manche sehen in dem Vorstoß eine Chance, das Internet in der nicht Englisch sprechenden Welt beliebter zu machen. Bisher konnten für Web-Adressen nur arabische Zahlen und das lateinische Alphabet benutzt werden. Um ihren Nutzern den Zugang zu erleichtern, griffen asiatische Websites oft nur auf Zahlen zurück. www.8848.net Eine der beliebtesten Internet-Seiten Chinas ist eine Auktions-Angebot mit der Adresse www.8848.net. Die Zahl spielt auf die Höhe des Mount Everest und auf die Glückszahl acht an, die in China Wohlstand repräsentiert. Mit dem neuen System von VeriSign kann die Adresse bis auf die Endung ".com" oder ".net" in chinesischen, japanischen oder koreanischen Schriftzeichen geschrieben werden. Unternehmen, die die neuen Adressen registrieren, berichteten in der vergangenen Woche von einer großen Nachfrage. Teilnehmer der Versammlung der Internet-Aufsichtsbehörde ICANN kritisierten dagegen die neuen Adressen. Sie könnten die Nutzer verwirren und das System zur Verwaltung von Internet-Adressen stören. E-Mails könnten verloren gehen und Websites unerreichbar werden. "Es könnte ein großes Chaos geben" "Zu viele Technologien sind verwirrend. Es könnte ein großes Chaos geben", sagte Qian Hualin, der stellvertretende Direktor des China Network Information Center (CNNIC), das Domains mit der Endung ".cn" (China) verwaltet. Auch das CNNIC registriert seit der vergangenen Woche Domains in chinesischen Schriftzeichen. Es setzt dabei auf ein anderes System als VeriSign, das es erlaubt, die gesamte Adresse - einschließlich der Endung ".cn" - in Schriftzeichen zu schreiben. Auch die Internet Society, eine gemeinnützige Organisation in den USA, kritisierte den neuen Service von VeriSign. Der gegenwärtige Test sei "gemessen an den technischen Standards des Internet verfrüht". Die Internet Society forderte VeriSign auf, den Start zu verschieben bis eine Gruppe von Technikern einen Standard für die Kompatibilität der Systeme entwickelt habe. Die Sorgen der Internet Society seien nicht angebracht, widersprach VeriSign-Sprecher Brian O'Shaughnessy. Er räumte ein, dass die technische Infrastruktur von VeriSign noch fehleranfällig sei. Bis zum endgültigen Start des Service am Jahresende würden diese Fehler jedoch beseitigt. "Wir wollen dem Netz nicht schaden", sagte er. "Keine E-mails werden verloren gehen." Ein lukratives Geschäft Es geht um Millionen, vielleicht sogar Milliarden an Einnahmen aus dem lukrativen Geschäft der Domain-Registrierung. VeriSign hat im dritten Quartal nach Schätzungen die Hälfte seines Umsatzes von 173,1 Millionen Dollar (393 Millionen Mark) mit der Vergabe von Internet-Adressen und damit zusammenhängenden Services gemacht. Neben den länderspezifischen Internet-Adressen wie ".de" für Deutschland oder ".uk" für Großbritannien gibt es momentan sieben generische, das heißt nach Sachgruppen geordnete, "Top-Level-Domains" wie etwa ".com" für kommerzielle Angebote oder ".net" für Netzwerkbetreiber. In dieser Woche wird das ICANN-Direktorium über die Vorschläge für neue generische Domains befinden. Im Gespräch sind unter anderem die Domains ".biz" für "Business", ".kids" für Angebote, die sich an Kinder richten und ".nom" für persönliche Websites. (Reuters)