Berlin - Die fünf Wirtschaftsweisen fordern eine offensivere Politik gegen die Arbeitslosigkeit. Die immer noch viel zu hohe Arbeitslosigkeit sei "nach wie vor das am gravierendsten verfehlte Ziel" der Wirtschaftspolitik, erklärte der Vorsitzende des Sachverständigenrates, Juergen Donges, am Mittwoch bei der Vorlage des Jahresgutachtens 2000/2001. Die Steuer- und Finanzpolitik wie auch die Rentenpolitik erhielten dagegen gute Noten. Die Wissenschaftler sagen eine weiter aufwärts gerichtete Konjunktur voraus. Nach dem Gutachten wird die Arbeitslosenquote kommendes Jahr um 0,5 Punkte auf 9,1 Prozent sinken. Dank der Steuerreform und maßvoller Tarifabschlüsse könnten zwar rund 420.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Zu Selbstzufriedenheit sei aber kein Anlass, betonte Donges. Die deutsche Regierung müsse vielmehr die Gunst der Stunde nutzen und endlich Reformen anpacken. Derzeit, so kritisierten die fünf Weisen, gebe es in der Arbeitsmarktordnung eher eine "Tendenz zur Rückregulierung" statt zur Deregulierung: Konkret nenne sie die geplante Reform des Betriebsverfassungsgesetzes, die auf eine Stärkung der Betriebsräte und Ausbau der Mitbestimmung hinausläuft. Gefragt sei aber "viel Flexibilität" am Arbeitsmarkt, der diese Regelungen nicht dienten. "Lohnstruktur stärker produktivitätsbezogen auffächern" Zu den Reformvorschlägen des Gutachtens gehört unter anderem der Rat, die Lohnstruktur stärker produktivitätsbezogen aufzufächern und die Lohnhöhe nach Qualifikation zu bestimmen. Um das "Nebeneinander von hoher Arbeitslosigkeit bei den weniger qualifizierten Arbeitnehmern und Engpässen in anderen Bereichen" zu durchbrechen, sprechen sich die fünf Weisen für ein "klares Einwanderungsgesetz" aus. Es solle neben quantitativen auch qualitative Kriterien enthalten, um den "Wachstumsfaktor Humankapital in Deutschland zu stärken". Ein gutes Zeugnis bekommt von den Gutachtern dagegen die Finanz- und Steuerpolitik der Bundesregierung. Sie verbinden ihr Lob allerdings mit der Warnung vor einer Lockerung des Sparkurses. Die Steuerreform stärke die Inlandsnachfrage und fange negative Effekte in der Weltwirtschaft auf. "Angesichts der recht guten Kassenlage" komme es aber immer häufiger zu Verstößen gegen den konsequenten Sparkurs. Mit Blick auf die Wachstumsaussichten der deutschen Wirtschaft unterstrich Donges, sollten sich die Prognosen bestätigen, dass das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr um rund drei Prozent und 2001 um 2,8 Prozent zunehme, erlebe Deutschland eine konjunkturelle Expansion, wie seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr. Kommendes Jahr werde die Bedeutung des Exports für die Konjunktur zwar zurückgehen, aber er werde mit einem Plus von 8,9 Prozent (nach 12,9 Prozent dieses Jahr) immer noch eine wichtige Stütze sein. Die Inlandsnachfrage werde sich beleben. Das Gutachten sagt ein Plus von 2,4 Prozent voraus, 0,4 Punkte mehr als dieses Jahr. Die Lage der Bauwirtschaft werde "heikel" bleiben, sagte Dongs. (APA/AP)