Die Wirtschaft funktioniert nach der an und für sich banalen Regel "Geld gegen Ware". Mit der Verbreitung des Internets wurde dies - scheinbar - anders. Um schnell groß zu werden, viel Aufmerksamkeit zu erregen und um möglichst viele Nutzer anzuziehen, gehen Internet-Start-up-Firmen oftmals einen anderen Weg: Die Geschäftsidee selbst ist gratis, das für den Betrieb des Unternehmens notwendige Geld holen sich die jungen Firmengründer über die Webwerbung oder über einen Börsengang. So insbesondere im Musikbusiness. Unter Umgehung aller Urheberrechtsgesetze boten Tauschbörsen wie MP3 oder Napster Zehntausende Titel zum Gratis-Download an. Das Musikestablishment sah sich nicht nur um ständig steigende Verkaufserlöse geprellt. Es stand in erster Linie vor einem schnell wachsenden Phänomen, das auch durch Gerichtsbeschlüsse nicht wirklich zu beseitigen ist: Denn vor allem die enorm wichtige Gruppe der jungen Musikkonsumenten fasziniert das Internet. Für diese Klientel ist das Netz die Quelle ihrer Musikbedürfnisse. Informationsdrehscheibe, Vertriebsschiene und Datenträger in einem. Immer mehr junge Musikliebhaber gehen heutzutage nicht mehr in ein Geschäft, um sich eine CD oder einen anderen Datenträger zu kaufen. Vielfach haben diese Leute gar keinen CD-Player mehr zu Hause oder pressen sich ihre CDs selbst. Die Musik kommt aus dem Internet. Punkt. Mit dem Gerichtsurteil, noch mehr mit den angekündigten Beteiligungen von Universal an MP3.com sowie EMI und Bertelsmann an Napster, wird der Weg frei für ein neues Musikbusiness auf der Basis des Internets. Bald werden wir uns alles herunterziehen können, und zwar ganz legal. Nur gratis wird's halt nicht mehr sein. (DER STANDARD, Printausgabe 17.11.2000)