Standard: Vor dem Sommer meinten Sie, die Regierungsparteien hätten "mit dem ORF nichts Böses im Sinn". Glauben Sie das noch? Gerhard Weis: Zugegeben, die jüngsten Äußerungen waren nicht gerade von großer Sachlichkeit bestimmt. Aber Ankündigungen werden ja nicht unbedingt so umgesetzt. Standard: Soll heißen: Ausagen wie jene von FP-Klubchef Peter Westenthaler, man sollte darüber nachdenken, ob man nicht einen ORF-Kanal privatisiert, sind eher eine Retourkutsche für die scharfe Kritik der ORF-Journalisten. Weis : Mit den Äußerungen der ORF-Journalisten hat das relativ wenig zu tun. Viel eher damit, dass die gesamte ORF-Führung nicht bereit ist, auf unzumutbare Forderungen einzugehen und Interventionen nachzugeben. Wird solchen Wünschen von Politikern nicht Rechnung getragen, stellen sie eine Rute ins Fenster. Solche Ruten erzeugen aber eine Eigendynamik und werden plötzlich dem, der die Rute schwingt, von ganz anderen aus der Hand genommen. Standard: Von "besonderer Seite" zum Beispiel - siehe Krone-Kolumne, die die Privatisierung von ORF 1 forderte. Weis: Durchaus. Standard: Die erst '99 beschlossene Abgeltung des Bundes für Befreiungen von der ORF-Gebühr wird wieder gestrichen. Das wären 600 Mio. S jährlich mehr für den ORF gewesen. Sie nannten die Streichung "EU-Unrecht" - ohne das näher zu erklären. Weis: Zum Beispiel werden der Post die Befreiungen von der Telefongrundgebühr ja ersetzt. Das ist EU-konform. Der Bundesbahn werden die Kosten für Schülerfreifahrt ersetzt. Da zitiere ich nur diesen Satz eines Rechtsexperten: "Die Abgeltung gemeinwirtschaftlicher Leistungen der ÖBB richtet sich nach einer direkt anwendbaren Verordnung des Rates der EU. Demgemäß sind die Ausgleichsbeträge vom Bund zu ersetzen." Muss da nicht gleiches Recht für alle gelten? Standard: Wozu, mit Verlaub, bei gut elf Milliarden Gesamtumsatz weiterer Bedarf an Gebührengeld? Weis: Um den öffentlich-rechtlichen Auftrag finanzieren zu können, müssen wir Geld am Markt mit einer Marktleistung verdienen. Wenn wir jetzt ein bisschen mehr Gebühren bekämen, würde das bedeuten, dass unsere Abhängigkeit vom Markt sinkt. Dann könnten wir uns ruhig überlegen, ob wir die eine oder andere Modeerscheinung mitmachen. Standard: Soll das heißen: Weil die Politik die Gebührenabgeltung streicht, brauchen wir "Taxi Orange"? Weis: Das habe ich nicht gesagt. Die Abhängigkeit von diesen Marktleistungen wäre geringer, hätten wir ein Plus bei den Gebühren. Standard: Daher der ORF-Versuch, die Zahl der Befreiungen zu reduzieren? Weis: Schon vor dem Sommer wurde uns angedroht, dass im Zuge der Sparmaßnahmen der Regierung auch die Refundierung von Gebührenbefreiungen zur Diskussion gestellt werden könnte. Auch wenn das ein Versprechen an den ORF war, kam nun das Argument: Das Geld ist nicht da, welche Alternativen gibt es? Ich habe da auf die Ansprüche auf Gebührenbefreiung hingewiesen - und da vor allem die Bezieher von Pflegegeld. Das bekommt man unabhängig von Pension oder Einkommen und wird automatisch von Gebühren befreit. Rund die Hälfte der 300.000 Gebührenbefreiten fällt in diese Kategorie. Von diesen Pflegegeldbeziehern wiederum sind 30 Prozent nach ihren Einkünften zu Recht gebührenbefreit, 70 Prozent haben deutlich höhere Einkommen. Wir haben aber weder eine Forderung gestellt noch Vorschläge gemacht. Standard: Wenn man von einem Papier Ihrer Gebühreninkassofirma GIS absieht. Weis: Weil man uns darum gebeten hat, haben wir die Unterlagen zur Verfügung gestellt. Wenn das jetzt so dargestellt wird, als hätte der ORF vorgeschlagen, den Pensionisten die Gebührenbefreiung zu nehmen, ist das falsch. Standard: Die Unterlage hinterfragte, ob man nicht bei Pensionen eine Einkommensgrenze vorsehen sollte? Weis: Sie besagt auch, dass wir nicht vorschlagen, Beziehern von Mindestpensionen die Befreiung zu streichen. Standard: Sind Arbeitslose zu Recht befreit? Weis: Auch nicht alle. Es gibt auch Arbeitslose, die hohes Entgelt bekommen. Standard: In den Niederlanden wird öffentlich-rechtlicher Rundfunk aus Steuermitteln statt Gebühren finanziert. Weis: Das wird immer wieder, auch in Deutschland, diskutiert. Lassen Sie es mich so formulieren: In funktionierenden Demokratien, wo die Parteien zweifelsfrei demokratisch auch mit der Meinungsfreiheit und dem Rundfunk umgehen, kann das funktionieren. In allen anderen Fällen ergibt sich daraus ein Staatsrundfunk. Standard: Das bedeutet für Österreich? Weis: Da verweise ich auf die Zusammensetzung des Kuratoriums. Standard: Die prinzipiell demokratisch zustande kam. Weis: Die aber voll von inneren Widersprüchen ist. Sie müssen bedenken: Zwei Klubobmänner, die jetzt im Kuratorium sitzen, haben vor einem Jahr die Abgeltung der Gebührenbefreiung mit beschlossen. Ein Jahr darauf machen sie diese Maßnahme ohne Angabe von zwingenden Gründen rückgängig, wiewohl sie als Kuratoren für das Haus Sorge zu tragen hätten. Standard: Gerade solche Solidarität der Kuratoren zum ORF, wie Sie sie einmahnen, ist doch ein Problem, wenn die gleichen Personen als Medienpolitiker für die Entwicklung der gesamten Medienlandschaft verantwortlich sind. Weis: Das ist ja das Problem: Dass es institutionalisierte Zielkonflikte gibt.