Italiens Handelsleute gingen in der vergangenen Woche auf die Barrikaden. Sie protestierten gegen den wachsenden Einfluss der organisierten Kriminalität. Denn bereits ein Viertel aller italienischen Geschäftsinhaber sehen sich gezwungen, der sizilianischen Mafia beziehungsweise ihren Schwestergesellschaften Schutzgelder zu zahlen. Nun soll in Mailand eine Task-Force eingerichtet werden, um das inzwischen auch auf Norditalien ausgedehnte Phänomen der Schutzgelderpressung zu bremsen.

Allein mit Schutzgeldern verdienen die Verbrecherorganisationen etwa gleich viel wie Italiens Großunternehmen, etwa wie der Pirelli-Konzern.

Der Handelsverband Confcommercio nimmt an, dass der gesamte Umsatz der organisierten Kriminalität rund 15 Prozent des italienischen Bruttoinlandsproduktes (BIP) bestreitet. Und dass die Mafia-Vermögensgüter bereits den Wert des BIP von rund 1,4 Billionen EURO (19 Billionen Schilling) ausmachen.

Der Regierung ist es bisher nur gelungen, knapp zehn Prozent des Vermögens zu beschlagnahmen. Zu den florierenden Wirtschaftszweigen der organisierten Kriminalität zählen neben Drogenhandel und Geldwäscherei, neben dem Geschäft mit Prostituierten und Raubkopien auch der beachtliche Anteil am öffentlichen Beschaffungswesen in Süditalien, an den Bauspekulationen, an der Abfalltechnik und die wachsenden Einnahmen aus der Schutzgelderpressung.

Die Hände im Müll

Rund ein Drittel der Abfallentwertung wird in Italien laut Schätzungen des Umweltministeriums von der organisierten Kriminalität kontrolliert. Vor allem bei der Schad- und Giftstoffentwertung hat die Mafia ihre Hände im Spiel.

Aber auch im öffentlichen Beschaffungswesen im Mezzogiorno hat die Mafia eine Quasi-Monopolstellung inne. Erst kürzlich hat die autonome Region Sizilien ein Gesetz erlassen, das die von der Regierung angeordnete Demolierung der Mafia-Villen in unmittelbarer Küstennähe aufhebt.

Viel Geld für "Schutz"

Sorgen bereitet dem Handelsverband vor allem die Schutzgelderpressung. Mafia-Jäger Tano Grassi, der von der Regierung für das Schutzgeldphänomen eingesetzte Untersuchungskommissar, schätzt, dass bereits ein Viertel aller italienischen Geschäftsbesitzer zu Mafia-Opfern wurde.

Schutzgelder werden inzwischen nicht nur im Süden, sondern auch in den norditalienischen Industrieregionen, in der Lombardei, Venetien und Piemont gezahlt. Einzig in Mittelitalien, wo noch die "linke" Antimafiakultur dominiert, haben die Mafia und ihre Schwesterorganisationen schwerer Fuß fassen können.

Tatsache ist, dass die Mafia ihre Strategie gewechselt und statt des einstigen aggressiven Vorgehens nun Finanzdienstleistungen anbietet. Auch Preisreduzierungen werden bei den Schutzgeldern, etwa bei prompter Zahlung, gewährt. Und befindet sich der Händler in Schwierigkeiten, so werden ihm vorerst Kredite eingeräumt. Kurzum, die Mafia geht mit der Zeit und bietet auch Finanzdienstleistungen an. Dass es sich dabei meist um Darlehen mit Wucherzinsen handelt, liegt auf der Hand.

Aus der Grassi-Untersuchung geht auch hervor, dass die Schutzgelder nicht nur "effizienter" sind, sondern die Händler meist billiger kommen als andere Sicherheitsmaßnahmen wie etwa teure Versicherungspolizzen, eigenes Schutzpersonal beziehungsweise Hightech-Sicherheitseinrichtungen. (Standard-Korrespondentin Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, Der Standard, Printausgabe, 20.11.2000)