Wien - Otto Demus, dem ehemaligen Chef des Denkmalamtes, sei nie ein "Heil Hitler!" aus der Feder geflossen, und eine Sekretärin soll einmal ein zusätzliches T in den Gruß gemogelt haben, was ihr ob der Aufforderung "Heilt Hitler!" beinahe die Verhaftung eingetragen hätte. Das Denkmalamt war also, glaubt man Theodor Brücklers Ausführungen, so übel nicht: Es hätte "kaum aus Fanatikern, kaum aus Helden, wohl aus Mitläufern, wohl aus Wichtigtuern, einfach aus zu vielen Pflichterfüllern und einfach aus zu wenig Gerechten" bestanden, meinte der Archivar des Hauses bei einem zweitägigen Kunstraub -Symposion, das Gottfried Fliedl vom Institut für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) im Hofmobiliendepot organisiert hatte. Bis zum Beginn der verordneten Provenienzforschung 1998 müssen zudem paradiesische Zustände geherrscht haben: Der Archivar widerstand jahrzehntelang der Versuchung, von den Früchten der Erkenntnis zu naschen, die in über hundert Kisten lagerten. Denn die Akten gaben Aufschluss, welche dubiose Rolle das Denkmalamt bei der Beschlagnahme jüdischen Besitzes in der NS-Zeit und bei der zögerlichen Restitution in der Nachkriegszeit spielte. Handhabe bot das Ausfuhrverbotsgesetz, mit dem man die Antragsteller unter Druck setzen konnte - und sie zu Schenkungen zwang. Erst in der seinem verharmlosenden Vortrag nachfolgenden Diskussion gestand Brückler, der nun "als Historiker" sprach, ein "abgekartetes Spiel zwischen den Museen und dem Denkmalamt" und die falsche Anwendung des Ausfuhrverbotsgesetzes ein. Denn in diesem hätte es den Passus gegeben, nach dem bei Übersiedlungen andere Maßstäbe zu setzen seien. Sie wurden aber nicht gesetzt bei all den Verfolgten, denen die Flucht ins Ausland gelungen war. "Herrenloses Gut"? Zudem war in der Nachkriegszeit der Wille zur Rückgabe praktisch nicht vorhanden: Ruth Pleyer von der Israelitischen Kultusgemeinde berichtete, dass man zwar eine gotische Skulptur zurückzustellen gedachte, aber den Besitzer, dessen Namen bekannt war, nicht informierte. Obwohl er in Wien lebte. Das Kunstwerk sei schließlich als "herrenloses Gut" bei der Mauerbach-Auktion 1995 - noch zu Lebzeiten des Mannes - versteigert worden. Doch dann, im Jänner 1998, wurden in New York zwei Schiele-Gemälde aus der Sammlung Leopold beschlagnahmt, weil sie im Verdacht standen, "Diebsgut" zu sein. Der Fall zeitigte ein Raubkunst-Rückgabegesetz, aufgrund dessen die Familie Rothschild und etliche andere einst abgepresste Kunstgegenstände zurückbekamen. Dieses Gesetz hat aber Tücken: Es gilt nur für die Bestände der Bundesmuseen. Es ist derart einschränkend formuliert, dass Kunstwerke (wie z. B. das Schiele-Gemälde Frau mit zwei Kindern aus dem Besitz von Jenny Steiner in der Österreichischen Galerie) aus formalen Gründen nicht zurückgegeben werden müssen. Und es räumt den Opfern keine Parteienstellung ein. Bei der gut besuchten Tagung wurde daher von Sophie Lillie, einer Kollegin Ruth Peyers, und anderen wiederholt Unmut über dieses Gesetz, das die Kulturministerin zur Restitution "ermächtigt", geäußert. Denn, wie es der Anwalt Alfred Noll formulierte: "Es ist ein Gewähren, ein Gnadenakt. Und das ist beschämend." Selbst Ernst Bacher vom Denkmalamt, Mitglied des Rückgabebeirats, merkte an, dass er das Gesetz "in vielen Punkten für nicht befriedigend" erachte. Das Podium am Freitagnachmittag war sich einig: Es müsse ein Recht auf Restitution geben. Alle Sammlungen des Bundes - also auch die Stiftung Leopold, in der sich Raubkunst befindet, und die Kunstuniversitäten - müssten in das Gesetz einbezogen werden. Und es bedürfe nicht nur einer zentralen Koordinationsstelle, sondern auch größerer Transparenz bei der Entscheidungsfindung. Zweifelhafte Werbung Am Samstag entfachte Ilsebill Barta-Fliedl, die ob nicht zu vertretender Vorgangsweisen aus dem Raubkunstbeirat ausgeschieden war, eine hitzige Diskussion über die Haltung der Österreichischen Galerie bezüglich jener Klimt-Gemälde, die von jüdischen Vorbesitzern zurückgefordert werden. Denn drei von ihnen sind in der laufenden Ausstellung Klimt und die Frauen zu sehen: Den beiden Adele-Bloch-Bauer-Porträts wurde bloß eine kryptische Anmerkung beigefügt. Und der Dame mit Hut und Boa - das "arisierte" Gemälde ziert Plakat wie Katalog-Cover - nicht einmal das. Obwohl es mit den Erben vereinbart worden war . . . (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20. 11. 2000)