München - Begleitet von Protesten der Umweltorganisation Greenpeace hat am Montag in München eine diplomatische Konferenz zur Reform des europäischen Patentsystems begonnen. Die 20 Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation (EPO) wollen durch eine Änderung von rund 100 Artikeln des seit 1973 bestehenden Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) die Verfahrensdauer zur Patenterteilung abkürzen, die Kosten senken und ein einheitliches Rechtssystem schaffen. Die bestehenden Qualitätsstandards sollten aber beibehalten werden, sagte Roland Grossenbacher (Schweiz), der Präsident des Verwaltungsrates der EPO. Die bisher in Den Haag angesiedelte Patentrecherche und in München ansässige Patentprüfung sollen an einem Ort zusammen geführt werden. Stop Die Konferenzteilnehmer wurden mit Protesten von Greenpeace gegen ein erteiltes Patent auf Embryonen konfrontiert (EP 380646), das ein Verfahren zur Isolation und Züchtung embryonaler Zellen von Menschen und Tieren zur Erzeugung so genannter Chimären (Mischwesen aus Tier und Mensch) umfasst. Die Umweltorganisation forderte die Diplomaten auf, einen sofortigen Stopp der Patentierung von Lebewesen und deren Genen zu verfügen. Das Europäische Patentamt müsse in seine Schranken gewiesen werden, da es "widerrechtlich Patente auf Leben erteile". Das beanstandete Patent sei im Juni 1999 bewilligt worden und sei rechtswidrig. EPA-Präsident Ingo Kobler wies Vorwürfe von Greenpeace jedoch als "Quatsch" zurück, sein Amt "belüge" die Öffentlichkeit und verberge Genpatente vor der Öffentlichkeit. Die Aktenunterlagen zur Prüfung aller Patente stünden jedermann offen. Zu dem umstrittenen Chimären-Patent sagte Kober, eine Nichtigkeitsklage gegen dieses Patent sei auch nach dem Verstreichen der neunmonatigen Einspruchsfrist möglich. Käme es zu einer gesetzwidrigen Verwertung des Patents, müsse die Staatsanwaltschaft einschreiten. Einer Anwendung des Patents stehe das deutsche Embryonengesetz entgegen. Kritik an der falschen Organisation? Kober verwies darauf, dass für den gesetzlichen Rahmen bei der Biotechnologie die nationalen Gesetzgeber zuständig seien. Deshalb ziele Greenpeace mit seiner Kritik am EPA auf die "falsche Organisation". Die diplomatische Konferenz werde sich nicht mit der Patentierung biotechnologischer Erfindungen befassen. Greenpeace-Sprecher Christoph Then widersprach Kober. Es sei die Pflicht der Diplomaten, gegen das Chimären-Patent Einspruch einzulegen. Es könne nicht die Aufgabe einer Umweltschutzorganisation sein, in allen elf Ländern, in denen das Patent gilt, Einzeleinsprüche vorzutragen. Er räumte aber ein, dass das an eine australische Firma erteilte Chimäre-Patent in Deutschland nicht verwertbar sei. "Desorientierung und Verwirrung" Dem Patentamt warf Then "Desorientierung und Verwirrung" vor, wenn es sich auf eine rein rechtliche Position zurück ziehe, wonach die Erteilung eines Patents nicht gleichzeitig die Genehmigung für eine Vermarktung darstelle. "Durch solche Patente wird eine Forschung mit ethisch zu verwerfenden Experimenten angeschoben." Das EPA belohne mit einem Patent etwas, was ethisch nicht zu rechtfertigen sei. Die Diplomatische Konferenz will bis 29. November die Reform des Patentsystems erarbeitet haben. Heikelster Punkt wird die Frage der Patentierung von Computerprogrammen darstellen, sagte Grossenbacher. Bisher könne Software nicht patentiert werden. Würde dies in Zukunft möglich sein, befürchten Experten, dass reine Geschäftsmethoden unter Patentschutz fallen könnten. Zur besseren Verankerung der EPO auf politischer Ebene soll eine Ministerkonferenz der Vertragsstaaten eingerichtet werden (APA)