Belgrad/Podgorica - In der jugoslawischen Teilrepublik Montenegro hat sich der Unabhängigkeitsprozess in den vergangenen Wochen intensiviert. Nachdem der Regimewechsels in Serbien nicht zuletzt durch die monatelange Vorarbeit von NGOs wie der Studentenvereinigung "Otpor" möglich wurde, werden nun auch in Montenegro das Streben nach Selbstständigkeit von einer nichtstaatlichen Organisation vorangetrieben. Die Bürgerinitiative "Grinet" startete am vergangenen Freitag eine Kampagne, mittels derer die Abhaltung eines Unabhängigkeitsreferendums in der kleinen jugoslawischen Republik noch vor Jahresende gefordert wird. Binnen eines Tages war es den Grinet-Aktivisten gelungen, rund 10.000 Unterschriften zu sammeln. Jüngste Meinungsumfragen zeigen, dass zur Zeit etwa 52 Prozent der Montenegriner die staatliche Souveränität unterstützen würde. Im Schatten der gestörten Beziehungen zwischen Belgrad und Podgorica wird allem Anschein nach am kommenden Freitag auch das Zagreber Gipfeltreffen von EU- und Südosteuropastaaten stattfinden. Aus Podgorica verlautete, dass der montenegrinische Präsident Milo Djukanovic am Treffen nur unter der Voraussetzung teilnehmen werde, wenn er wie andere Staatschefs behandelt werde. Die Veranstalter des Treffens - Frankreich als EU-Präsidentschaft und die kroatische Regierung - hatten dem montenegrinischen Präsidenten die Einladung zum Treffen allerdings über Belgrad zukommen lassen. Es wird auch spekuliert, dass der jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica möglicherweise am Gipfel in Zagreb nicht teilnehmen wird, sollte Djukanovic die Behandlung eines Staatschefes zukommen. Aus dem Büro von Kostunica wurden die Gerüchte allerdings nicht kommentiert. In Belgrader EU-Diplomatenkreisen war die Teilnahme von Djukanovic am Treffen in Zagreb am Wochenende noch als "ungewiss" bezeichnet worden. Djukanovic ist indes überzeugt, dass Montenegro alle "natürlichen, menschlichen, demokratischen und wirtschaftlichen Potenziale" besitze, um ein international anerkannter Staat zu werden. Ein internationale anerkanntes Montenegro könnte gemeinsam mit einem international anerkannten Serbien ein "Modell ethnischer Harmonie" bilden und als Stabilisierungsfaktor in der Region wirken, wurde der montenegrinische Präsident am Sonntag vom Regierungsblatt Pobjeda zitiert. Die Demokratenpartei der Sozialisten (DPS) hatte den DOS-Bündnisparteien die Bildung einer "Union der souveränen Staaten Serbien und Montenegro" vorgeschlagen. Gemeinsam sollten allerdings die Außen-, die Verteidigungs- und die Währungspolitik sein. Die neuen Belgrader Behörden hatten die Bereitschaft bekundet, gleich nach den vorgezogenen Parlamentswahlen in Serbien am 23. Dezember die Gespräche über die Umgestaltung der Bundesrepublik Jugoslawien aufzunehmen. Zur Zeit scheinen die zwei jugoslawischen Republiken aber nur noch die Verteidigungspolitik gemeinsam zu haben. Montenegro hatte am 13. November den Dinar völlig aus dem Zahlungsverkehr vertrieben. Die außenpolitischen Interessen lässt das offizielle Podgorica schon seit langem durch seinen Außenminister Branko Lukovac vertreten, auch wenn vorerst keine Einwände gegen die internationalen Auftritte des föderativen Außenministers Goran Svilanovic zu hören sind. Präsident Kostunica will andererseits bei Verhandlungen mit Podgorica vom Fortbestand der Existenz der Bundesrepublik Jugoslawien ausgehen, wie immer sie aussieht. Dies dürfte die Kommunikation natürlich erschweren. Immerhin für zwei von drei Regierungskräften in Montenegro - die Demokratenpartei der Sozialisten und die Sozialdemokratische Partei - ist die jugoslawische Föderation nämlich längst tot. Die montenegrinische Wochenzeitschrift Monitor berichtete unter Berufung auf DOS-Kreise, dass die neuen jugoslawischen Wahlen bereits Ende März stattfinden dürften. Zuvor würden die eigenwilligen Verfassungsänderungen, die Ex-Präsident Slobodan Milosevic am 6. Juli vorgenommen hatte, außer Kraft gesetzt. "Solche Wahlen, die auch von der Staatengemeinschaft unterstützt würden, dürfte auch Podgorica nicht boykottieren", wird ein Spitzenpolitiker der DOS zitiert. (Von Breda Ozim/APA)