Das Geschäftsleben geht weiter, und Pietät muss ihre Grenzen haben. Niemand vermittelte uns nach einer ereignisreichen Woche diese Tatsachen eindringlicher als "NEWS". 162 Tote klagen an - Die Berichte der Lebenden: Wir gingen durch die Hölle: So wurde auf dem Titelblatt die Katastrophe Kitzsteinhorn nachbehandelt. Unmittelbar daneben auf der Flappe war, einschlägig illustriert, ein Bericht über Lebendiges angekündigt: Models 2001 - Der neue Pirelli-Kalender.
Da darf man nicht angerührt sein, es war nun einmal nicht zu ändern, denn: Zeitgleich mit dem Erscheinen von NEWS wird er am 15. November in den Prunkräumen des Königspalastes von Capodimonte in Neapel präsentiert. Diese Parallelaktion durfte unter keinen Umständen gefährdet werden, und eine verbindende Klammer zwischen den beiden Berichten gab es doch: Auch Damenfotograf Mario Testinos Generalthema lautet offenbar "Voyeurismus".
Überdies wurde "NEWS" vom Branchenspezialisten in Sachen Geschmack und Sensibilität bestätigt. Am Donnerstag, als das Magazin erschien, empfahl das Kronegirl auf Seite 7 eine neue Methode der Mnemotechnik: Die Britin Susan wählte für ihren Namen die Schreibweise Zuzan, um besser im Gedächtnis zu bleiben. Mit ihrem entblößten Oberkörper wird ihr das weniger gut gelingen, der unterscheidet sich von all den im Pirelli-Kalender angebotenen Wölbungen längst nicht so deutlich wie Susan von Zuzan.
Aber wer sich die erotische Strandnixe nicht aus der Samstagnummer der "Krone" ausgeschnitten hatte, war vom Kleinformat zu vier Tagen voyeuristischer Staatstrauer verurteilt. Sonntag - keinerlei Anfechtung. Montag fand sich, erst auf Seite 15, eine züchtig bekleidete junge Dame, die sich katastrophenbezogen wie viele andere im Lande in der "Krone" über dieses Ereignis informierte, um mehr über die Hintergründe der Tragödie zu erfahren. Wenn schon keine Erotik, dann wenigstens Eigenreklame.
Dienstag war eine leichte Entspannung festzustellen. Schon auf Seiten 13 waren fünf ratlos an einem Strand herumstehende Damen in korrekter Badebekleidung abgebildet, von denen sich immerhin sagen ließ: Den Titel "Miss" haben die Damen auf unserem Bild alle. Mittwoch schwenkte das Blatt dann - nicht ohne Delikatesse - auf Business as usual und die Seite 7 ein: Die völlig durchsichtige Bluse mit der weiten, weißen Hose ließ die darein gekleidete Dame zwar für "Krone"-Maßstäbe schwer overdressed erscheinen, an diesem Tag lief das aber noch unter gewagte Modelle. Es gibt eben Journalisten, die wissen, was sich gehört, da kann Jörg Haider noch so oft sagen, sie verwendeten ihre kranken Gehirne nur dazu, in den Redaktionsstuben zu lügen.
Umso empörender, dass es Leser gibt, die mit heimtückischen Methoden versuchen, führende Schreiber des Kleinformats ins gesellschaftliche Abseits zu drängen, wie dies Sonntag auf der Leserbriefseite geschah. Immer, bevor wir die Seite "Das freie Wort" der "Kronen Zeitung" lesen, schauen wir, ob ein Beitrag von Franz Ehm, Graz, dabei ist, begann einer aus Wien ganz harmlos. Aber dann kam 's. Er hat einmal geschrieben, dass er ein "alter Knacker" sei. Aber er spricht uns "alten Knackern" aus der Seele. Den Mann sollte man nicht aus den Augen verlieren, denn wenn unser "Staberl" einmal in Pension geht, wäre da ein geeigneter und würdiger Nachfolger vorhanden. Blasphemische Idee, der alte Seelenknacker könnte je aufhören, alten Knackerseelen die Welt zu deuten!
Geradezu diabolisch war der gleich daneben abgedruckte Anschlag auf den poetischen Ruf Wolf Martins. Tag für Tag erquicken wir uns an den spitzzüngigen Genialitäten, die der letzte echte Poet des 21. Jahrhunderts, Wolf Martin, von sich gibt. Nur der Ordnung halber: Ich bin es nicht, jener Dr. Karl Margels aus e-mail, der da auf Martins Dichterlorbeer sich entleert. Es ist immer wieder herrlich zu lesen, wie Herr Martin seine denkwürdigen Gedichte arrangiert, denn nicht erst einmal mussten wir uns noch lange nach der Lektüre von "In den Wind gereimt" fragen, "was will uns der Poet wohl mit dieser Aussage erläutern?".
Die Rache des unerlösten Lesers ist grausam. Und da wir wirklich große Verehrer seiner Kunst sind, haben wir es uns nicht nehmen lassen, eine kleine Ode an ihn zu verfassen - offenbar gibt es Komplicen: Wolf Martin ist ein rechter Mann! Der wunderbar gut reimen kann!/Poesie und Politik in einem bewertet - genial wie das Idol. Auch wenn es manchen nicht gefällt,/ Wolf Martin weiß, wo 's langgeht in der Welt!/ Er enttarnt die Schurken in unserer Republik,/ macht in der "Krone" dies publik! Pardon, aber nur um Verwirrung zu vermeiden: Wolf Martin zwar flott reimen kann,/ enttarnen tut der Kindermann.
In seinen letzten Versen erreicht Dr. Margels' Dichtkunst schließlich apollinische Qualität: Und jetzt sag ich grad heraus, was mir am Herzen liegt sehr!/ Ohne Herrn Martin wär Österreich nicht Österreich mehr!
Dr. Margels hat das Problem treffend beschrieben: Der Patriot muss sich entscheiden. Günter Traxler