Semmering - "Das Muster ist jedes Mal gleich, wenn man einem ausländischen Partner die industrielle Führung überlässt. Zuerst werden die Versicherungen in der Zentrale des Ausländers abgeschlossen, dann übersiedelt die Finanzabteilung und mit ihr das Bankgeschäft, dann wird der Einkauf von der Zentrale besorgt und das Zuliefergeschäft geht verloren, und schließlich folgen Forschung und Entwicklung. Schlussendlich werden die Schrauben im Jumbo nach Graz eingeflogen, die man im Triestingtal viel billiger einkaufen kann." ÖIAG-Chef Rudolf Streicher warnte bei einer Diskussion des Verbandes für Öffentliche Wirtschaft am Montagabend vor den negativen volkswirtschaftlichen Folgen beim Abverkauf heimischer Industrieunternehmen. "Die Erhaltung eines Headquarters im Inland ist keine parteipolitische, sondern eine industriepolitische Aufgabe. Daher ist ein heimischer Kernaktionär, der mit einer Sperrminorität ( 25 Pro- zent plus eine Aktie, Anm. d. Red. ) die Abwanderung zentraler Funktionen verhindern kann, so wichtig." Wirtschaftsminister Martin Bartenstein trat prinzipiell auch für die Beibehaltung österreichischer Kernaktionäre ein, relativierte aber: "Die Erhaltung der Headquarter ist eine Option, aber kein Schutzschild gegen eine weitergehende Privatisierung." Die Entscheidung, Unternehmen zu privatisieren, sei primär nicht volkswirtschaftlich bedingt, sondern aus der Not der leeren Kassen des Bundes entstanden. Der Minister stellt in Abrede, dass die schwarz-blaue Koalition keine Industriepolitik habe. Sie ziele auf die Entwicklung des Standortes ab, wobei die Liberalisierung bei Energie und Telekom eine wesentliche Verbilligung für die Unternehmen gebracht habe. Weiters sei die Forschung ein Schwerpunkt. "Mit einem Input von sieben Mrd. S werden wir unsere Forschungsquote von 1,8 auf zwei Prozent steigern können und ein Zwischenetappenziel erreichen. Wandel OMV-Vizechef Wolfgang Ruttenstorfer verwies auf den Wandel im Zuge der Internationalisierung. Während früher der Staat eine Firma beauftragte, die Versorgung sicherzustellen, und dafür deren Risiko absicherte, ist dies mit der Liberalisierung und Öffnung der Märkte vorbei. Mit der Privatisierung sei bei der OMV auch die Internationalisierung eingeleitet worden. Das dauerte zehn Jahre. "Erst im 1. Halbjahr 2000 hat die OMV im Ausland erstmals mehr Öl und Gas produziert als im Inland und mehr Tankstellen betrieben als in Österreich." Bei der Umstellung vom nationalen Versorger zum internationalen Unternehmen sei es wichtig, dass der Staat sich nicht mit einem Schlag zurückzieht, sondern schrittweise. Ein stabiler Aktionärskern gebe dem expandierenden Unternehmen Sicherheit. (Michael Hann, DER STANDARD, Printausgabe 22.11.2000)