Wem gehören Sie respektive Ihre Gene, zumindest in dem Sinn, dass damit Geld gemacht wird? Sind Sie eine Frau, gehört das Gen BRCA 1, das bei Brustkrebs mitspielt, auf Dauer der Patenterteilung der Firma Myriad; sind Sie ein Mann, gehören manche Ihrer Prostata-Gene der Firma Genset. Sind Sie gar Isländer, gehören Sie mit Haut und Haar der Firma DeCode, die alle Ihre Gene durchmustert und viel versprechende an Hoffmann-La Roche weiterreicht, die sie zum Patentamt trägt. Dort warten, neben dem Patentprüfer, für gewöhnlich schon zwei, die gegen das Patent Einwände erheben: die Konkurrenz des Antragstellers - sie ist auch dafür, dass Gene patentierbar sind, weil nur so die Forschungskosten hereingeholt werden können, aber sie will Ihr Gen lieber selbst besitzen - und NGOs, die Leben für keine gewöhnliche Ware halten und im Patent darauf eine Verdinglichung sehen und eine so unzulässige wie absurde Privatisierung gemeinsamen Erbes: Wir haben alle dieselben Gene. Dass Leben überhaupt patentiert werden kann, dafür sorgte 1982 ein US-Richter mit dem Urteil, "alles unter dem Himmel" sei patentfähig. Bald wurde alles patentiert, Bakterien, Tiere und Pflanzen, Gene von Menschen. Im ersten Rausch war vieles dabei, von dem man nicht wusste, was es im Körper tut. Diese Patente stießen auf Widerspruch, da sie Minimalkriterien eines Patents - es muss etwas erfunden worden sein, nicht einfach gefunden - nicht genügen. Aber beim Stochern im Goldhaufen gelangen Treffer: 1995 ließ die Firma HGS CCR5 patentieren, ein Gen mit unbekannter Funktion. Später fanden andere Forscher, dass es zentral für das Eindringen von HIV in Zellen ist. Nun müssen sie, wenn sie an ihrer eigenen Entdeckung weiterarbeiten wollen, Lizenzgebühren an HGS bezahlen. Das hat die HGS-Aktien in den Himmel schießen lassen, aber das Geschäft mit den Genen ist oft ein Hasardspiel. Es wird von der Aussicht auf gigantische Märkte getrieben - der für Alzheimer ist Milliarden wert, der für Krebs unabschätzbar -, die Tausende Firmen aus dem risikokapitalgedüngten Boden hat schießen lassen. Aber die meisten hängen am Erfolg eines einzigen Gens, und wenn US-Präsident Bill Clinton und Großbritanniens Premier Tony Blair sich öffentlich verplaudern - "Gene nicht patentieren!" -, dann knickt die ganze Branche ein, zumindest solange, bis Clinton und Blair sich dahin korrigieren, sie hätten nur Gene ohne bekannte Funktion gemeint. Bei der Patentierung von Genen mit bekannter Funktion finden sich weniger Gegner, vor allem Ärzte: Solche Gene werden zusammen mit Verfahren patentiert - etwa einem zur Diagnose der Gene -, die einen Monopolisten über die Preise von Diagnosen bestimmen lassen. So geschehen beim Brustkrebs-BRCA 1. Aber derart geldträchtige Gene sind noch nicht allzu viele gefunden worden, ein oder zwei Dutzend machen großes Geld. Wie großes, ist nur indirekt eruierbar: Die Firma Genentech zahlte 200 Millionen Dollar für die Verletzung eines Patents eines Konkurrenten, die fünfthöchste Summe in der Geschichte der Patentkriege. Kaum eruierbar ist auch die Zahl der Patentanträge und -erteilungen: Wenn der Chef des weltgrößten Patentierers, Genset, zu Protokoll gibt, in zwei Jahren sei das gesamte menschliche Genom patentiert - "falls es das heute nicht schon ist" -, dann macht er keinen Witz, die Zahl der Anträge ist unüberschaubar und nur höchst grob abschätzbar. Denn natürlich sitzen nicht immer NGO-Einwender mit dabei, sie müssen sich auf Präzedenzfälle beschränken wie die aktuelle Mensch/Tier-Mischung - unstrittig eine Erfindung, die Natur kennt so etwas nicht. Aber vor einer Patenterteilung steht auch das Kriterium der "guten Sitten", eine Ethik-Generalklausel der Patentämter, die in München offenbar vergessen wurde. Trotzdem verweist das Patentamt mit Recht darauf, dass es weder dafür zuständig ist, was alles erforscht wird, noch dafür, wie die Gesetzgeber auf den Gen-Run reagieren. (Jürgen Langenbach, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.11.2000)