Frankfurt - Eine Verkaufsorgie hat am Donnerstag vor allem die Technologiebörsen rund um den Globus erschüttert: Der alle Werte umfassende Nemax-All-Share-Index verlor bis zum Mittag 3,82 Prozent und fiel auf ein neues Jahrestief von unter 3.000 Punkten. Seit seinem Höchststand im März von mehr als 8.500 Zählern ist er damit auf fast ein Drittel geschrumpft. Der Nemax-50 fiel 3,54 Prozent auf 3063,26 Punkte. Schwere Verluste bei den Technologiewerten bescherten dem Nasdaq Composite Index einen neuen Jahrestiefststand bei 2754,14, also nur knapp unterhalb des Schluss-Standes vom Mittwoch Abend. Ausgelöst wurden die Verluste im Index Händlerangaben zufolge von den Abgaben im Software- und Internetbereich. Portal Software mussten nach der Veröffentlichung enttäuschender Geschäftsergebnisse im dritten Quartal einen dramatischen Kursrutsch hinnehmen. Die Titel büßten rund zwei Drittel ihres Wertes ein. Unter den Internettitel führten Yahoo! die Liste der Verlierer mit einem Minus von 8,4 Prozent an. Untergangsstimmung Die Untergangsstimmung am Neuen Markt macht die Börsenanalysten ratlos. Viele der hoch bezahlten Aktienstrategen in den Banktürmen hatten vor wenigen Wochen schon das Ende des Einbruchs verkündet. "Das war's, der Boden ist da - schlimmer geht es nicht", lautete ihr Credo. Sie sprachen von "Kaufsignalen" und machten den gebeutelten Anleger wieder mit Blick auf die "traditionelle Jahresendrallye" Hoffnung. Doch die Kurse - besonders die der Wachstumsfirmen - gehen weiter gnadenlos in den Keller. "Völlig illusorisch" "Völlig illusorisch", urteilt Anlegeexperte Rolf Elgeti von der Commerzbank in London. "Unseriös", heißt es bei der Deutschen Bank. Ihr Chef-Berater für Privatkunden, Alfred Roelli, gibt erst gar keine Prognosen für den Neuen Markt. Sie seien "kaum fundiert" zu machen. Auch andere Institute verzichten auf Prognosen für den Index-Stand. Die DG Bank sah sich angesichts der desaströsen Kursentwicklung in den vergangenen Tagen im Erklärungsnotstand. Das Ergebnis der internen Beratungen beim Spitzeninstitut der Volks- und Raiffeisenbanken lässt aufhorchen: Nur noch zwischen 6.000 und 6.500 Punkte traut Reis dem NEMAX bis März zu. Nach Meinung vieler Experten noch immer eine kühne Erwartung, da sich der Neue Markt- Index in vier Monaten mehr als verdoppeln müsste. "Wir haben halt keine Kristallkugel, es wird aber sorgfältig gearbeitet", verteidigt Reis die drastische Korrektur. Sein Team habe in der Grundeinschätzung richtig gelegen. Die unerwartete Hängepartie um das US-Präsidentenamt habe weltweit die Stimmung verhagelt. "Der Markt wollte nach oben." Niemand könne exakte Vorhersagen machen - die Richtung sei aber berechenbar. Deshalb glaubt Reis, dass der Neue Markt nun lediglich mit Verspätung wieder auf bessere Zeiten zuläuft. Die 8.000-Punkte-Marke könne im Sommer 2001 erreicht werden. (APA/AP)