Zunehmend ausbeuterische und aussichtslose Arbeits- und Lebenssituationen
LEFÖ - Lateinamerikanische Emigrierte Frauen in Österreich
Die weibliche Migration hat sich nach der neuen Weltwirtschaftsordnung zur Arbeitsmigration in die "reichen
Länder" Westeuropas entwickelt und mündet in zunehmend ausbeuterischen und
aussichtslosen Arbeits- und Lebenssituationen. "Weiters kann Frauenarbeitsmigration nicht mit Frauenhandel gleichgesetzt werden - wir können aber versichern, dass nahezu alle von Frauenhandel Betroffenen auf der Suche nach Arbeit emigriert sind". Das ist die
Ausgangslage für die Arbeit des Vereins LEFÖ - Lateinamerikanische
Emigrierte Frauen in Österreich.
Herstory
1985 wurde der damalige Verein von exilliierten Frauen aus Lateinamerika, die sich in Wien zusammengeschlossen hatten, aus der eigenen
Betroffenheit heraus zur Kommunikation und Selbsthilfe gegründet. Es war das
erste Projekt in Österreich, das spezifisch für Lateinamerikanerinnen
gearbeitet hat; eine Antwort auf die "Feminisierung der
Migrationsprozesse", wie Bernadette Karner von LEFÖ erklärt.
Ab 1973 machten sich Flüchtlinge aus Lateinamerika verstärkt nach Österreich
auf, sodass im Gründungsjahr des Vereines 1985 schon viele lateinamerikanische Frauen in Wien waren. Es gab keine spezifischen Projekte für Frauen. "Auch Frauen mit hoher
Qualifikation hatten keine Chance. Die Berufsangebote waren für Männer bzw.
in klassischen Männerberufen", erzählt Cristina Boidi, Mitbegründerin LEFÖs
und emigrierte Universitätsprofessorin.
Erweiterung des Angebotes
Mit der untrennbaren Verknüpfung von Arbeitsmigration und aus dem Bedarf und der Notwendigkeit heraus entwickelte sich LEFÖ vom ursprünglichen Selbsthilfeprojekt weg. Inzwischen
werden für Migrantinnen aus Lateinamerika neben Veranstaltungen, Workshops,
Deutschkursen auf verschiedenen Niveaus und Berufsorientierungskursen auch
Beratungen angeboten. Neben einer Familienberatungsstelle mit einer Ärztin, einer Juristin und einer Sozialarbeiterin bietet LEFÖ auch sozial- und arbeitsmarktpolitische sowie psychologische Beratung an.
Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels (IBF)
Diese Interventionsstelle ist eine seit 1998 offiziell anerkannte
Opferschutz-Einrichtung für Betroffene des Frauenhandels. Mit
dem Innenministerium besteht ein Kooperationsvertrag; gefördert wird die
Einrichtung von Innen- und Sozialministerium (früher vom Frauenministerium,
das die Opferschutzeinrichtung unter Frauenministerin Helga Konrad angeregt
hatte).
Was kann für Frauen, die Opfer des Frauenhandels wurden, getan werden? § 217
des Strafgesetzes definiert Menschenhandel nur mit dem Ziel der sexuellen Ausbeutung. LEFÖ geht bei der Definition weiter: "... wenn
Frauen aufgrund von Täuschung und falschen Versprechungen durch Vermittler
migrieren, dafür oft hohe Verschuldung in Kauf nehmen und sich in der Folge
im Zielland in einer Zwangslage befinden. Es kann sich dabei um
professionelle Vermittler handeln, aber auch um Freunde oder Verwandte der
betroffenen Frauen. Die Zwangslage kann darin bestehen, dass sie unter Druck
gesetzt werden, Tätigkeiten und Dienstleistungen gegen ihren Willen
auszuüben, oder in ausbeuterische oder sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse
gebracht werden. Dazu zählt auch, wenn sie durch Ehemänner/Dienstgeber in
ihrer persönlichen Freiheit bzw. ihrem sexuellen Selbstbestimmungsrecht
eingeschränkt werden."
Betreuung und Unterstützung in einer Notwohnung
Wird von der Polizei eine Frau aufgegriffen, die Opfer des
Frauenhandels (nach der engen gesetzlichen Definition) sein könnte, so
müsste die Frau an das IBF vermittelt werden. Dort bekommt sie rechtliche,
soziale und psychologische Betreuung und Unterstützung bei der Durchsetzung
ihrer Rechte und wird in einer Notwohnung untergebracht und betreut.
In der Praxis werden jedoch wenig Fälle an das IBF weitervermittelt. Da
kommt es auf die den Fall behandelnde Stelle, den/die PolizistIn, die
Fragen, die der Frau gestellt werden, etc. an. Viele Frauen werden sofort
abgeschoben, viele Frauen schweigen aus Angst. Bei einem hohen Prozentsatz der Frauen, die
vom IBF (unter anderem auch in Schubhaft) betreut werden, stammen die Erstinformationen vom Schubhaft Sozialdienst. Die Kooperation mit
Schubhaftbetreuungseinrichtungen (auch in den Bundesländern) ist dabei sehr
wichtig.
Erste Frau bekommt Aufenthalt aus humanitären Gründen
Die von IBF betreuten Frauen könnten einen "Aufenthalt aus humanitären
Gründen" (§ 10 Abs. 4 Fremdengesetz) bekommen, was bis vor kurzem jedoch nie
der Fall war (erst Anfang September wurde es erstmals einer Frau in
IBF-Betreuung zugesprochen). Für die betreuten Frauen wäre ein
Mindestaufenthalt von drei Monaten in Österreich sehr wichtig, "um Abstand
zu bekommen, zu schauen, was sie wollen, ob sie bei einem Prozess vor
Gericht aussagen - um sich eine Lebensperspektive zu schaffen", erzählt
Bernadette Karner. Im Moment erhalten sie nur eine Aufschiebung der Abschiebung.
Ein wichtiger Teil der Arbeit der Interventionsstelle ist unter anderem die Zusammenarbeit
mit osteuropäischen Ländern und Organisationen in anderen Ländern. Denn wenn
eine Frau in ihr Land zurückkehrt (sei es, weil sie abgeschoben wird, oder
ihr der relativ rechtlose Status in Österreich zu unsicher ist), ist es
wichtig, dass sie bei der Rückkehr weiter rechtlich, sozial und
psychologisch betreut wird. Dort warten bei der Ankunft oft die gleichen
Händler auf die Frauen, um sie in die Fortsetzung ihrer Tätigkeit zu
nötigen.
Daniela Yeoh