Wien (APA) - Das Verhältnis von Demokratie und Verfassungsgerichtsbarkeit beherrschte den zweiten und letzten Tag des Symposions "Dimensionen des modernen Verfassungsstaates". Die Veranstaltung zum Geburtstag von Univ.Prof. Karl Korinek, Vizepräsident des Verfassungsgerichtshofes, beschäftigte sich am Donnerstag besonders mit der aktuellen Bedeutung der Verfassungsgerichtsbarkeit sowie den beiden europäischen Gerichtshöfen. "Das Verfassungsrecht lebt davon, dass der Einzelne die Möglichkeit bekommt, sich auch gegenüber Mächtigen zu wehren, wenn diese seine Grundrechte verletzen" erläuterte Paul Kirchhof, ehemaliger Richter am deutschen Bundesverfassungsgericht und Professor an der Universität Heidelberg. Kirchhof versuchte auch, einen guten Verfassungsrichter zu charakterisieren: "Er hat die nötige Distanz zur Politik, er ist unbefangen, er hat eine profunde Lebenserfahrung, er analysiert die Rechtsfragen mit Zeit und Geduld, er ist in einer Familie verwurzelt und er ist den Lebensfreuden, von Grinzing bis zum Sacher und zur Staatsoper, aufgeschlossen." Nach dem Linzer Univ.Prof. Peter Oberndorfer, Mitglied des VfGH, ist der VfGH Garant der Verfassung. Außerdem habe das Höchstgericht die Befugnis zur Letztinterpretation der Verfassung. Die zentrale Kraft im politischen Gestalten hätte, so Oberndorfer, nach wie vor der Gesetzgeber - auch wenn allen Entscheidungen des VfGH politische Bedeutung zukäme. Für 800 Millionen Menschen ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zuständig, erklärte Georg Ress, Richter am EGMR und Professor an der Universität Saarbrücken. Er sprach über die Rechtsstellung - es sei unklar, ob der EGMR ein Organ des Europarates ist oder eine eigene Juristische Person - den Aufgabenbereich und die Legitimation des EGMR. Der Gerichtshof in Straßburg sei ein zwischenstaatliches, völkerrechtliches Gericht, das die Aufgabe habe, Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskommission festzustellen. "Dadurch ergeben sich Konsequenzen für den einzelnen Staat. Der EGMR ist aber selbst nicht berechtigt, in die staatliche Rechtsordnung einzugreifen", erklärte Ress. Über eine mögliche Verfassung für die Europäische Union (EU) sprach Univ.Prof. Wassilios Skouris, Richter am Europäischen Gerichtshof (EuGH) und Rechtswissenschaftler an der Universität Thessaloniki. Die Grundrechtscharta, die voraussichtlich demnächst angenommen wird, habe, so der Richter, der Diskussion rund um eine eigene Verfassung für die EU neue Impulse gegeben. Die Meinungen gingen da weit auseinander: "Während die einen meinen, eine Verfassung könne nur mit einem eigenen Staat Bestand haben, halten andere die EU als supranationales Herrschaftsgebilde für durchaus verfassungsfähig", erläuterte Skouris. (APA)