Erst kürzlich hat der frühere langjährige ORF-Generalintendant Gerd Bacher seinen 75. Geburtstag gefeiert, nun ist ein Buch mit einer Auswahl von Bachers Reden, Vorträge und Stellungnahmen aus den Jahren 1967 bis 1994 erschienen. "Ich weiß jetzt, wo ich nachschlagen soll, wenn ich mich finden muss", kommentierte Bacher das Werk bei der Präsentation von "Der Generalintendant". Der ehemalige Generalintendant wies dabei darauf hin, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten derzeit europaweit "in einem Zwiespalt" lebten. Dem ORF wünsche er eine "unversehrte" Zukunft. "Sollten Politiker mit einer Amputation des ORF liebäugeln, so würden sie nicht nur Österreich, sondern auch sich selbst schaden. Statt am Bestand des ORF zu rütteln, sollte man sich überlegen, ihn von Parteipolitik dauerhaft zu befreien. die Gremien zu verfachlichen und den Programmauftrag so zwingend zu fassen, dass öffentlich-rechtlicher und kommerzieller Rundfunk jedenfalls unverwechselbar sind", sagte Bacher. "Kein Erwerbszweig, keine Ware ..." "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist kein Erwerbszweig, keine Ware, sondern eine unverzichtbare, typisch europäische Kulturerrungenschaft." Für "das kleine Land Österreich" sei der ORF "das einzige international zählende Massenmedium. Die handelnden Personen müssen wissen, dass es hier um die an sich schon gefährdete mediale Selbstständigkeit der Republik geht", so Bacher in Richtung jener Politiker, die über eine Teilprivatisierung des ORF nachdenken. Weis: Rückblick in die "gute alte Zeit" ORF-Generalintendant Gerhard Weis würdigte das Bacher-Buch als Rückblick in die "gute alte Zeit", die "nur in einer Hinsicht gut" gewesen sei: "Es wurde viel Gutes geschaffen, aber gegen unendlich viele Widerstände". "Zeitlos gültige Rezepturen", so Weis, würden aber in den 37 Texten nicht zu finden sein. "Bedauerlicherweise haben sich die Zeiten dermaßen grundlegend geändert, dass die Mühsal eigener Rezepturen unausweichlich ist." "Der Zustand des De-Facto-Monopols, in dem Zwangsbeglückung möglich war, ist leider zu Ende" Der ORF müsse sich auf einem "der kompetitivsten Medienmärkte Europas" behaupten. "Der Zustand des De-Facto-Monopols, in dem Zwangsbeglückung möglich war, ist leider zu Ende." Der ORF müsse sich unter schwierigen Bedingungen die Hälfte seines Budgets auf dem Markt verdienen, um das öffentlich-rechtliche Kernprogramm als "eigentlichen Unternehmenszweck" finanzieren zu können. Daraus würden sich gänzlich neue Aufgabenstellungen ergeben, "die in ihrer Gegensätzlichkeit, Widersprüchlichkeit und Komplexität den öffentlichen Diskurs überfordern", so Weis. ORF als "Zentralanstalt für die österreichische Identität" Die von Bacher geprägte Auffassung vom ORF als "Zentralanstalt für die österreichische Identität" zieht sich wie ein roter Faden durch die Texte des vom Salzburger Kommunikationswissenschafter Michael Schmolke herausgegebenen Buches. Schmolke würdigte Bacher als unermüdlichen Redner: "Er hat seinen ORF von Anfang auch im Wort prägen wollen." Von Stellungnahmen zur Rundfunkreform und "Gegenreform" unter Bruno Kreisky über Reden zu Medienethik bis hin zu Überlegungen zum Spannungsfeld von Markt und Medien, von "Kultur und Kommerz" reichen die Themen der ausgewählten Texte. Standing Ovations Die Gäste der Buchpräsentation im Großen Sendesaal im Radiokulturhaus würdigten Bacher mit Standing Ovations. Neben den ehemaligen ORF-Generalintendanten Otto Oberhammer, Teddy Podgorski und Gerhard Zeiler sowie dem derzeitigen ORF-Chef Weis - erstmals traten alle fünf ORF-Generalintendanten gemeinsam auf - zählten auch ORF-Weggefährten wie Hugo Portisch oder Gustav Peichl, der als "Ironimus" Bachers "Tiger"-Image prägte, zu den Gratulanten. Ebenfalls im Publikum waren Salzburgs Landeshauptmann Franz Schausberger (ÖVP) und Steiermarks Ex-Landeshauptmann Josef Krainer (ÖVP) sowie ehemalige und gegenwärtige ORF-Kuratoren von ÖVP und SPÖ. Auch der Künstler Andre Heller und Ski-Legende Karl Schranz, dessen triumphalen Wien-Empfang nach dem Sapporo-Ausschluss Bacher einst mit organisiert hatte, stellten sich mit Geburtstagsgrüßen ein. (APA)