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Ob er selbst weiter inszenieren wird, weiß er noch nicht. Trotz der momentan schwierigen Lage will Dominique Mentha aber an der Idee, ein junges Ensemble aufzubauen, festhalten. Er versteht dies auch als ein Beharren auf einer spezifischen Volksopern-Ästhetik, erfuhren Wolfgang Schaufler und Ljubisa Tosic . Wien - Unruhige Zeiten für Dominique Mentha. Unlängst war er bei Staatssekretär Franz Morak, um sich dessen Wohlwollen bestätigen zu lassen ("Morak steht hinter mir"). Heute sollen in einer Aufsichtsratssitzung sein "ausgeglichenes Vorjahrsbudget " (Mentha) und der Budgetentwurf der kommenden Saison abgesegnet werden. Dass aus dem "Absegnen" bald ein "Absägen" Menthas werden könnte, kann sich der Direktor nicht vorstellen - der Aufsichtsrat stünde hinter ihm, meint er, der für sein nicht extrem gut besuchtes Haus grundsätzlich eine Auslastung von 80 Prozent für "vernünftig" hielte. Mentha plant jedenfalls weiter. Im September bringt er bei der Wiederaufnahme der Meistersinger Bernd Weikl ans Haus; auch hegt man offenbar im Ausland Sympathien für die Volksoper: Mit der West Side Story wird sie in Baden- Baden gastieren - 3sat und Arte werden dabei sein. Und die Erfolgsproduktion Schwanensee Remixed geht auch ans Münchener Prinzregententheater. Die Oper Frankfurt schließlich lädt das Orchester und seinen Chef Thomas Hengelbrock zu einem Gastspiel ein. Auch wird die Volksoper im Sommer vermietet, zwecks Einnahmensteigerung. Aber nicht an das Mozart- Perücken-Orchester . . . STANDARD: Was erwarten Sie von der Aufsichtsratssitzung? Mentha : Kein negatives Echo. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Auslastung um 5,6 Prozent. Mehr kann ich nicht machen. STANDARD: Orten Sie strategische Gegenschläge gegen Sie? Mentha : Daran beteilige ich mich nicht, ich könnte ihnen 30 Theorien nennen, warum gewisse Artikel erscheinen. Die Gefahr in dieser Stadt ist, dass es so viele Gerüchte, Traditionen, Freunde und Feinde gibt, dass man, wenn man nicht auch stur bleibt, untergeht. Ich bin ja nicht seit 20 Jahren in Wien. Ich musste meine Ideen durchsetzen. Zudem: In Gefahr und höchster Not ist der Mittelweg der Tod! Es gibt hier eine Zermürbungstaktik, die einen erschöpfen kann - Stress kann aber kreativ machen. Dass es schwierig wird, wusste ich, sonst wäre ich ein Idiot. STANDARD: Aber niemand will beschädigt werden! Mentha : Jeder wird beschädigt. Wir sterben beschädigt! STANDARD: Was würden Sie im Rückblick ändern? Mentha : Kein Mensch sagt: Ich habe alles richtig gemacht. Ich habe aber die Pflicht, meiner Identität treu zu bleiben. Zum Beispiel hat man mir davon abgeraten, ein modernes Tanztheater zu etablieren. Das aber wurde ein Erfolg. STANDARD: Ihr Vorgänger Klaus Bachler war in der Volksoper beliebt. Bei Ihnen scheint es auch intern Widerstände zu geben? Mentha : Natürlich sehe ich auch Widerstände. Wir haben ja strukturell viel verändert, da wurden einige Königreiche ausgehoben. Mit Bachler hat eine ästhetische Neuorientierung begonnen. Das war für das Publikum nicht leicht. Das braucht Zeit. In einem "normalen" Theater, das nicht so ein großes Repertoire hat, begegnen die Menschen dem Neuen viel schneller. Und sie entscheiden sich schneller. Da tauscht ein neuer Intendant das gesamte Programm aus! Im Repertoiretheater geht das nicht. Der Verlust an hohen Auslastungszahlen hat schon vor meiner Zeit begonnen. Es ist eben schwierig, zu kommunizieren, dass es verschiedene Volksopern-Identitäten gibt. Aber wir müssen auch unser Programm viel stärker dem "konventionellen" Publikum und auch über den Tourismus vermitteln. Wir sind jetzt zum Beispiel auf Tourismusmessen vertreten. STANDARD: Musikdirektor Hengelbrock sieht aber auch Defizite beim Ensemble. Mentha : Woran wir arbeiten, ist der Aufbau eines jungen Ensembles. Es gibt drei Möglichkeiten: a) Mit Stars zu arbeiten, die pro Abend 100.000 Schilling bekommen. Nicht finanzierbar! Ich darf nicht überziehen. b) Wir versuchen über ein Ensemble eine Hausidentität herzustellen. Ich denke da an Nakajima, Davislim, Muraro. c) Ich verpflichte junge Sänger mit Potenzial und baue auf ihnen auf. Natürlich gibt es da manchmal qualitative Unterschiede. Ich halte das für einen gangbaren Weg. Ich mache z. B. jeden Tag Vorsingen. STANDARD: Braucht Hengelbrock nicht einen Assistenten, der regelmäßig mit dem Orchester arbeitet? Mentha : Wir suchen einen! Ein Problem ist auch die prekäre Probensituation. Gute Dirigenten kommen nicht, wenn sie nicht probieren können. Nun haben wir den Kollektivvertrag schon etwas verbessert. Wir überlegen auch, Repertoireproben neu zu strukturieren. Es kann Proben geben, bei denen Hengelbrock eine Stelle aus The Rake’s Progress probiert, aber auch eine aus La Bohème oder aus der Lustigen Witwe , weil ihm da etwas nicht gefallen hat. STANDARD: Wird Hengelbrock seinen Zweijahresvertrag verlängern? Mentha : Wir planen jetzt schon das dritte Jahr. Ich wünsche mir auf jeden Fall eine weitere Zusammenarbeit. STANDARD: Herrscht Eiszeit zwischen Ihnen und Staatsoperndirektor Ioan Holender? Mentha : Für mich gibt es kein Problem, wenn es eines gibt, dann ist es ein normales Generationen-Problem. Dem einen gefällt eine Idee, dem anderen nicht. Zurzeit reden wir nicht miteinander - nächste Woche haben wir aber ein Direktorentreffen. STANDARD: Wenn Sie Pseudo- Freundschaften als Instrument der Karriere einsetzen würden, wenn Sie mit Politikern Tennis spielen würden, hätten Sie es leichter? Mentha : Ich spiele ja nur Boccia, das tun die wenigsten Politiker. Und dann schlage ich sie alle womöglich - das wäre das Schlimmste. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24. 11. 2000)