Offenstallhaltung ist für Kenner der Inbegriff artgerechter Pferdehaltung. Sehr oft wird bei Sportpferden und in Reitställen aber darauf verzichtet, weil die ständige Fluktuation der Einstellpferde, die gewünschte individuelle Fütterung und die Ansprüche der Einsteller auf jederzeit verfügbare Pferde eine Offenstallhaltung nicht zulassen. Daß man artgerechte Haltung und Komfort für den Reiter aber sehr wohl verbinden kann, zeigt das Modell eines Offenstalles, entworfen vom Waldviertler Unternehmer Franz Grünbeck. Der "Sozial-Integrative Bewegungsstall", kurz SIB, kombiniert die Vorteile der Offenstallhaltung mit den Annehmlichkeiten der Boxenhaltung. Er ermöglicht den Pferden im Herdenverband den sozialen Kontakt zu Artgenossen, ohne daß auf ein gewisses Maß an Sauberkeit und individueller Betreuung verzichtet werden muß.Kein Streß für Neue n einem Reitbetrieb herrscht normalerweise ein häufiger Wechsel des Pferdebestandes. Seinen Platz in einer Offenstall-Herde muß sich ein Neuankömmling erst behaupten, was insbesondere für sozial schwache Pferde Streß bedeutet. In einem SIB-System gibt es daher genügend Rückzugsmöglichkeiten für neue und rangniedere Pferde. Die Liegefläche wird mit abgehängten PVC-Planen in Teilbereiche abgetrennt, die jedem Pferd eine gewisse "Privatsphäre" ermöglichen. Ranghöhere Pferde werden somit nicht dazu verleitet, die Liegefläche in Beschlag zu nehmen und rangniedrige Pferde ständig zu vertreiben. Die PVC-Planen hängen in Rumpfhöhe der Pferde und sind jederzeit entfernbar – für den Menschen stellen sie beim Ausmisten der Liegefläche keine Behinderung dar. Zwei großzügige Ein- und Ausgänge an den Enden einer Breitseite ermöglichen jederzeit ein Ausweichen der Pferde und zudem eine Entmistung mit mechanischen Geräten. Fliegenschutzvorhänge aus PVC-Streifen vor diesen Ausgängen schützen vor Insekten und verhindern Zugluft. Bewährt hat sich bei häufigem Pferdewechsel außerdem ein zweiter, kleinerer und abseits gelegener Offenstall als Rückzugsnische für Neulinge. Beschäftigung & Bewegung Der Liegefläche ist an der Breitseite ein Vordach angeschlossen, dieser Bereich wird bei Hitze, Regen und Wind von den Pferden gerne als geschützte Standfläche aufgesucht. Hier befindet sich auch die Wasserversorgung mittels eines von allen Seiten zugänglichen, winterfesten Balltränkers. Daran schließt eine Auslauffläche an, deren Gestaltung die Pferde einerseits zu Bewegung animieren soll, in der aber andererseits durch die Entschärfung von Ecken und Engstellen durch naturnah gestaltete Hindernisse das Verletzungsrisiko durch Stürze minimiert wird. Eine Schwemme, Balken zum Drübersteigen und Beknabbern sowie eine Sandfläche zum Wälzen und Liegen bieten immer wieder Anreiz zur Beschäftigung, die Pferde legen am Tag oft mehr als 15 km in ruhigem Schritt zurück. Der Auslauf-Boden ist mit Paddockplatten befestigt, die Regenwasser abrinnen lassen und ein Verdichten des Unterbodens durch die Pferdehufe verhindern. Er wird somit auch bei schlechtem Wetter nicht zu Morast, was sich positiv auf die Hornqualität auswirkt und das Einsammeln des Mistes erleichtert. Zudem ist für ein gewisses Maß an Sauberkeit gesorgt. Die Fütterung Grundfutter wird in Form von Rundballen in zwei überdachten Palisadenraufen angeboten, die den Pferden eine freie Entnahme ermöglichen. Die im Vergleich zur Einzelhaltung häufigere Aufnahme kleinerer Futtermengen entspricht dem natürlichen Freßverhalten des Weidetieres Pferd und wirkt sich positiv auf Verdauung und Wohlbefinden des Pferdes aus. Die Versorgung mit Kraftfutter erfolgt in einer aus Stahlrohrpaneelen gefertigten Kraftfutterstation, in der jedem Pferd ein eigener Standraum zur Verfügung steht. Eine bedarfs- und leistungsorientierte Fütterung mit Kraft- und Zusatzfutter ist somit möglich. Sogar Medikamente können oral verabreicht werden, ohne die Pferde zum Fressen anzubinden. Arbeitsaufwand & Kosten In einer SIB-Anlage für 15 Pferde reduziert sich der Arbeitsaufwand im Vergleich zur Boxenhaltung um bis zu 60 %. Eine durchdachte Planung ermöglicht einer einzigen Person die Grundversorgung der Pferde. Auslauf und Liegefläche werden zweimal am Tag von Mist gereinigt, der Gesamtaufwand dafür beträgt etwa ein bis 1,5 Stunden. Ein kompletter Tausch der Liegeflächen-Einstreu ist nur selten nötig – die Pferde misten und harnen meist außerhalb des Stalles. Im Sommer wird somit bis zu 90 % weniger eingestreut als in Boxenhaltung, im Winter 70 % weniger. Mit dem Heu in Rundballen kommen die Pferde etwa eine Woche aus, die mehrmals tägliche Heugabe entfällt gänzlich. Der Platzbedarf einer SIB-Anlage ist im Vergleich zur Boxenhaltung größer, etwa 1.600 m2 hat Franz Grünbeck für 15 Pferde verbaut. Dafür kann man mit einer Verringerung der Baukosten um etwa 25 % rechnen, da keine Innenboxen, keine Zwischenwände und kein Tränkesystem nötig sind. Die Befestigung des Auslaufes treibt die Kosten allerdings wieder entsprechend in die Höhe. Offenstall & Training Offenstallhaltung bei Sport- und Leistungspferden wird meistens abgelehnt. Das größere Verletzungsrisiko, aber auch die für diese Pferde notwendige intensive Pflege und Betreuung hält viele Pferdebesitzer davon ab, Leistungspferde in Offenställen unterzubringen. Genau das wird in einem SIB-Stall jedoch bedacht: Das Verletzungsrisiko wird durch Rückzugsmöglichkeiten und bewußt gestaltete Hindernisse weitgehend vermindert, eine individuelle Betreuung ist möglich. Diese Form der Pferdehaltung ließe sich mit ein wenig Phantasie und unter Berücksichtigung bestehender Objekte und Geländeformen in fast jedem Stallbetrieb realisieren und beliebig erweitern. Wer also sein Pferde-Domizil zukünftig verändern will, oder überhaupt eine neue Anlage plant – warum nicht einen SIB-Stall bauen? Der Demonstrationsstall von Franz Grünbeck kann in Groß Neusiedl im Waldviertel besichtigt werden. Informationen unter Tel. 02855/444 bzw. 0664/3841175.