Der kleine Hengst war sechs Monate alt, als er plötzlich Probleme beim Aufstehen hatte, auch konnte er seine Nachhand nicht ohne menschliche Hilfe heben. Schließlich wurde er mit Verdacht auf Wobbler bzw. equine Herpesinfektion auf die Klinik für Orthopädie bei Huf- und Klauentieren der Universität Wien eingewiesen. Nach eingehenden Untersuchung stand fest, woran das Fohlen litt: In beiden Sprunggelenken, in allen vier Fesselgelenken und auch in beiden Hüftgelenken wurden freie Knorpelfragmente – sogenannte Chips – gefunden. Aufgrund der schlechten Prognose, das Pferd jemals als Turnierpferd einsetzen zu können, entschloß sich der Besitzer, das Tier einschläfern zu lassen.
Ein tragisches Einzelschicksal? Leider nein. Mehr als 25% der Warmblutpferde – manche Studien gehen sogar von 30 bis 50% aus – sind genetisch dazu veranlagt, bei entsprechenden Aufzuchtbedingungen Gelenkkörper (Chips) zu entwickeln. "Bei rund 20% der Pferde, die bei einer Ankaufsuntersuchung vorgestellt werden, finde ich heute bereits einen Chip. Also doch realtiv häufig," bestätigt Dr. med. vet. Georg Hladik, Fachtierarzt für Pferde.
Und nicht nur Warmblutpferde, generell alle Pferde können daran leiden, besonders gut untersucht ist das Phänomen bislang allerdings hauptsächlich bei Warmblutpferden, Trabern, Vollblütern und auch Quarter Horses.
Wie entstehen Chips?
Fachsprachlich heißt diese Gelenkserkrankung Osteochondrosis dissecans. Die Osteochondrose (OC) ist eine Erkrankung des wachsenden Knorpels, die ausschließlich Jungtiere betrifft und deren erste Anzeichen bereits in einem Alter von einem Monat röntgenologisch wahrgenommen werden können (Sprunggelenk), im Kniegelenk werden Abweichungen von der normalen Entwicklung erst mit drei bis vier Monaten sichtbar.
Bei einem ungestörten Wachstumsprozeß bildet sich das knorpelig angelegte embryonale Skelett des heranwachsenden Fohlens in Knochen um. Durch mehrere Ursachen kann dieser Umwandlungsprozeß gestört sein, es entstehen an manchen Stellen – vermehrt an sogenannten Wachstumsfugen oder an den Endpunkten der Knochen zur Gelenksfläche – Knorpelverdickungen.
Anfänglich, nach der Geburt des Fohlens, wird der Knorpel noch durch Gefäße versorgt. Spätestens mit sieben Monaten jedoch haben sich diese Gefäße rückgebildet, der Knorpel wird mehr und mehr durch die umgebende Gelenkflüssigkeit (Synovia) ernährt. Diese kann jedoch nur bis zu einer gewissen Tiefe eindringen. Ist nun der Knorpel krankheitsbedingt verdickt, werden tiefere Schichten nicht ausreichend versorgt und sterben ab. Der Knorpel wird geschwächt, unter Belastung können Risse entstehen, ganze Knorpelstücke (Chips) können sich ablösen. In diesem Fall spricht man von Osteochondrosis dissecans (OCD). Der abgelöste Knorpelteil kann in der Gelenkhöhle umherwandern und eventuell an der Gelenkkapsel festwachsen.
Der Gelenkknorpel hat im Laufe seiner Entwicklung unterschiedliche Festigkeit. Im Fesselgelenk konnte die "weichste Phase" des Gelenkknorpels mit ca. sechs Monaten festgestellt werden. Möglicherweise sind diese Phasen gelenkspezifisch unterschiedlich – dies mag für die Entstehung der OCD auch mit eine Ursache sein. Unterschiedliche Zeiten dieser Phase sind möglicherweise die Ursache für das zeitlich unterschiedliche Auftreten der OCD in den einzelnen Gelenken.
Der abgelöste Knorpelteil ist, wie man sieht, Teil einer komplexen Störung, die prinzipiell jeden Knorpel und jedes Gelenk eines Pferdes betreffen kann. Der einzelne diagnostizierte Chip ist somit Krankheitsursache (in dem Sinn, daß er den Knorpel weiter schädigt) und Symptom für eine zugrundeliegende Wachstumsstörung zugleich.
Häufig tritt die Erkrankung in Gelenkgruppen auf und nicht selten sind beide Gelenke bzw. bei den Fesselgelenken alle vier betroffen. Hauptsächlich erkranken bei der europäischen Pferdepopulation Sprunggelenke und Fesselgelenke, seltener die Kniegelenke, manchmal auch die Schultergelenke. Auch innerhalb des einzelnen Gelenks gibt es bevorzugte Stellen, an denen Chips auftreten können. Davon, von der Größe des Chips, seiner Lage und der Anzahl der betroffenen Gelenke hängt auch wesentlich die Prognose für eine Heilung bzw. die weitere Verwendbarkeit des Pferdes ab. Nicht jedes betroffene Tier muß ein derart tragisches Schicksal erleiden wie das eingangs erwähnte Fohlen. Nach neuesten Studien ist es durchaus möglich und gar nicht selten, daß osteochondrotische Schäden bis zu einem Alter von einem Jahr wieder verschwinden können.
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß es sich bei der Osteochondrose um einen dynamischen Prozeß handelt, bei dem Entwicklungen von gut nach schlecht, aber auch von schlecht nach gut möglich sind – allerdings nur innerhalb des ersten Lebensjahres. Was sich bis dahin nicht quasi selbst repariert hat, wird von selbst nicht wieder heil.
Symptome und Diagnose
Erste Symptome der Erkrankung treten häufig dann auf, wenn das Jungtier zum ersten Mal mehr belastet wird. Der eigentliche Schaden war zwar unerkannt schon vorher da, nun aber wird er manifest: Das Gelenk schwillt an, unter Umständen lahmt das Pferd auch. Oft beobachtet der Züchter, daß das Fohlen plötzlich ein dickes Gelenk hat – die Stute wird’s getreten haben, ist häufig der erste Gedanke. Solche Alarmzeichen sollten aufmerksam wahrgenommen und auf keinen Fall vernachlässigt werden. Denn je früher man etwas gegen diese zerstörerische Krankheit unternimmt, desto besser sind die Heilungschancen. Und nicht zuletzt ist es der Züchter und Aufzüchter selbst, der durch falsche Haltung und Fütterung die Entstehung von Chips verursachen bzw. begünstigen kann.
Die angeführten Symptome allein erlauben allerdings noch keine sichere Diagnose. Die meisten Chips können röntgenologisch diagnostiziert werden, falsch positive oder negative Befunde sind jedoch möglich, deshalb sind in manchen Fällen Aufnahmen aus mehreren Perspektiven notwendig. Auch ist die Arthroskopie heute ein gängiges Diagnoseinstrument, will man sich Klarheit über das Geschehen innerhalb eines Gelenkes verschaffen.
Ist nun ein Chip gefunden worden, ist damit noch nicht gesagt, daß dieser auch Ursache der Lahmheit ist. Denn es gibt auch sogenannte "stille" Chips, die oft ein Pferdeleben lang keine Probleme machen. Eine intrartikuläre Anästhesie, durch welche die Schmerzempfindlichkeit des Gelenkes vorübergehend ausgeschaltet wird, verschafft Klarheit, ob tatsächlich das Gelenk Ursache der Lahmheit ist. Zusammen mit dem röntgenologischen Befund kommt der behandelnde Tierarzt zu einer Diagnose und einem darauf basierenden Therapievorschlag.
Generell geht heute die Empfehlung dahin, bei jungen Pferden einen Chip zu entfernen, auch wenn er noch keine Probleme verursacht, um späteren Sekundärschäden im Gelenk vorzubeugen.
Wird ein Chip aufgrund klinischer Symptome gefunden, hängt es maßgeblich von Lage, Größe und Leichtigkeit des Zugangs ab, ob der Chip entfernt oder ob konservativ behandelt wird. Diese Fälle müssen individuell entschieden werden, manchmal ist abzuwägen, ob durch einen Eingriff nicht möglicherweise ein größeres Trauma gesetzt wird, als es der Chip je verursachen würde.
Ein Chip bei einem älteren Pferd, der keine Probleme verursacht, wird ebenfalls nach Lage und Größe beurteilt werden bzw. wieweit er das Gelenk bereits geschädigt hat.
Zu bedenken ist auch, daß der freie Knorpelchip ebenfalls durch die Synovia ernährt wird und weiterwachsen bzw. sich auch bewegen und so zu Problemen führen kann. Auch wenn ein Chip oft nur einen geringen Reiz im Gelenk setzt, kann er auf Dauer die glatten Knorpelflächen erheblich schädigen, Knochenhypertrophie im Gelenk, Schädigung der Gelenkinnenauskleidung und des Gelenkstoffwechsels sind die Folge und können bei einer entsprechenden Belastung zu chronischen Gelenkerkrankungen, den Arthrosen, sowie Lahmheiten führen.
Ursachen
Die Osteochondrose ist ein Erb-Umwelterkrankung, d. h. sie ist einerseits genetisch motiviert, andererseits wird sie von bestimmten Umwelt- und Haltungsfaktoren wesentlich mitverursacht.
Vererbung
Eine mehrjährige Studie der Universität Utrecht führte zu dem interessanten Ergebnis, daß sowohl genetische Faktoren wie auch die Haltungsbedingungen, und hier vor allem die Bewegung, eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Osteochondrose spielen. Zu Forschungszwecken wurden im Rahmen dieser Studie gezielt Pferde vermehrt, die von Osteochondrose betroffen waren. Die Hengste hatten alle OC im Sprunggelenk und/oder Kniegelenk, die Stuten waren teilweise auch OC-behaftet, in der Mehrzahl (39 von 50) jedoch frei davon.
"Bei Nachkommen von Elterntieren, von denen eines oder beide eine röntgenologisch festgestellte Osteochondrose im Sprunggelenk hatte, wurde in 50% der Fälle ebenfalls Osteochondrose an dieser Stelle vorgefunden. Bei Fohlen von Elterntieren ohne diese Erkrankung im Sprunggelenk wurden nur in 37% der Fälle osteochondrotische Erscheinungen in diesem Gelenk festgestellt." Bei ähnlicher Betrachtung des Kniegelenks stellte sich folgendes heraus: 28% der Fohlen haben OC, wenn eines oder beide Elterntiere davon betroffen sind. Wenn die Eltern frei waren, waren auch die Fohlen frei davon.
Allgemein wird davon ausgegangen, daß vor allem frohwüchsige Pferde, solche die schnell wachsen und auch relativ groß werden, sehr häufig von dieser Erkrankung betroffen sind. Durch rasches Wachstum kommt es zu Unterversorgungen in bestimmten Arealen, das Knochengerüst ist durch (zu) rasch zunehmendes Gewicht zu stark belastet. Zu energie- und eiweißreiche Fütterung unterstützt diesen fatalen Prozeß, so daß auch Fohlen, die von ihren Erbanlagen her nicht zu rascher Gewichtszunahme neigen würden, durch falsche Fütterung regelrecht krank gemacht werden können. (Auch durch zuviel Stutenmilch!) Umgekehrt ist es nicht möglich und auch nicht sinnvoll, durch Mangelernährung frohwüchsige Pferde nach Art eines Bonsais klein zu halten. Hier muß bereits bei der Auswahl der Elterntiere durch den Züchter solchen genetischen Prädispositionen Rechnung getragen werden. Man geht davon aus, daß ca. 25% aller Warmblutpferde Genträger sind. In Schweden z. B. hat man das Problem dadurch weitgehend in den Griff bekommen, daß alle Körungsanwärter geröntgt und Hengste mit Chips von der Zucht ausgeschlossen werden.
Fütterung
Bei der Fütterung kann man vor allem zweierlei falsch machen: Erstens zuviel Eiweiß und Energie zuführen – meist im Bestreben, ein möglichst schönes und großes Fohlen zu bekommen – und zweitens Mangel oder Überschuß an gewissen Spurenelementen herbeiführen.
Zum ersten ist zu sagen, daß das Wachstumstempo nach dem Absetzen leichter zu steuern ist als in der Säugephase. Man sollte danach trachten, die Fohlen nicht zu schnell wachsen zu lassen, was am besten mit einem großen Anteil Rauhfutter in der täglichen Ration geht.
Unter den Spurenelementen scheint vor allem Kupfer eine Rolle bei der Entstehung von Osteochondrose zu spielen – Untersuchungen haben ergeben, daß Kupfermangel diese Erkrankung begünstigt. Auch ein falsches Phosphor-Kalzium-Verhältnis sowie Zink-Überversorgung (Zinkvergiftung) begünstigen Fehlentwicklungen des Fohlenskeletts. Daher ist besonders bei der Fohlenfütterung auf ein ausgewogenes Mineralstoffverhältnis zu achten, spezielle Mineralstoffmischungen oder Fohlenstarter können Fehlversorgungen vorbeugen.
Bewegung
Das Hauptziel der oben genannten Utrechter Studie war es, den Einfluß von Bewegung während der ersten Monate auf die Entwicklung des Bewegungsapparates zu analysieren und dabei Möglichkeiten zu finden, auf die Osteochondrose-Problematik positiv einzuwirken. Die Fohlen wurden in drei Gruppen geteilt, von denen die erste in der Box blieb, die zweite blieb teilweise im Stall und wurde gezielt trainiert, d. h. sie mußte eine festgelegte Menge an schnellem Galopp absolvieren. Die dritte Gruppe hatte permanenten Weidegang. Als die Fohlen fünf Monate alt waren, wurde die unterschiedliche Bewegungsform aufgehoben, alle Fohlen kamen in einen großen Laufstall mit Paddock. Ergebnis: "Die Weidegruppe stand mit fünf Monaten als beste da, was die Schädigungen im Knie betraf. Sie wies deutlich weniger Abweichungen auf als die Boxengruppe. Die Befunde der Trainingsgruppe lagen dazwischen."
Als dann alle drei Gruppen gleich gehalten wurden, schmolz zwar der Vorsprung der Weidegruppe in der Entwicklung des Bewegungsapparates und der Skelettmuskulatur dahin und die Trainingsgruppe kam auf dieselbe Höhe. Die Boxengruppe dagegen holte ihren Rückstand nicht auf.
Aber auch zwischen den trainierten Fohlen und denen, die Weidegang genossen hatten, gab es letztlich einen interessanten Unterschied: "Wenngleich das Stoffwechselniveau der Trainings- und Weidegruppe identisch war, hatte es den Anschein, als seien die noch als Reserve vorhandenen Kapazitäten der Knorpelzellen bei den nach Programm trainierten Fohlen nicht weiter zu stimulieren, die Zellen hatte ihre Reservekapazität verloren."
Die Studie kommt zu folgendem, vor allem für Züchter höchst interessanten Fazit: "Diese Erkenntnis liefert eine ernsthafte Warnung. Bewegung ist gut und notwendig, aber in Maßen. Es muß eine Balance, ein Gleichgewicht, im Training der Fohlen vorhanden sein – und dafür sorgt uneingeschränkter Weidegang am besten. Diese Untersuchung hat uns deutlich über das rechte Maß in der Praxis belehrt und die Frage beantwortet: Wie lang, wie oft und wie intensiv sollen sich Fohlen bewegen? Sie hat uns auch viele Informationen über die einmalige Bedeutung der Aufzucht geliefert. Ein im ersten Jahr entstandener Rückstand ist nie mehr aufzuholen." (alle Zitate: Aufzucht und Osteochondrose im ersten Lebensjahr.J. Knaap und M. Gerding, Lelystad. In: Göttinger Pferdetage ’99. Zucht und Haltung von Sportpferden. Internationale Fachtagung)
Training
Daß zuviel oder falsche Belastung die Gelenke schädigt, wurde bereits angedeutet, sei hier aber noch einmal näher erklärt.
Um seine volle Druckelastizität zu erreichen, muß der Knorpel Wasser speichern. Dazu braucht jedes Gelenk und jeder Knorpel eine gewisse Zeit, man hat errechnet, daß dazu mindestens 10 bis 15 Minuten nötig sind. So lange muß ein Pferd locker und ohne Belastung mindestens bewegt werden, bis Leistungen mit einer höheren Belastung ohne Schädigung der Gelenke von ihm verlangt werden können.
Bei den Jungpferden und Fohlen besteht das Problem, daß diese vielfach nicht nur einen fütterungsbedingten Energieüberschuß sondern dazu auch noch Bewegungsmangel haben. Läßt man sie nun endlich frei laufen, toben sie sich anfangs genau in der Zeit aus, die der Knorpel eigentlich als Aufwärmphase braucht. "Aus diesem Grunde sind bereits bei jungen Pferden, die noch nicht einmal angeritten sind, arthrotische Erscheinungen ein besonders häufiger röntgenologischer Befund" (Bodo Hertsch. Gesundheit des Bewegungsappartes von Sportpferden aus der Sicht der Veterinärmedizin. In: Göttinger Pferdetage ’99)
Neben diesen vorgenannten hauptsächlichen Ursachen können Gelenkkörper auch durch Traumata, durch Cortison-Injektionen über längere Zeit, durch Stoffwechselstörungen oder auch Vergiftungen verursacht oder mitverursacht werden.
© Pferderevue/Eva Morawetz
Teil 2: Ein kleiner Schnitt
… und seine großen Folgen: Im zweiten Teil unserer Chips-Geschichte geht es um Chancen und Risken der Arthroskopie und mögliche vorbeugende Maßnahmen.
Neben der konservativen Therapie (abschwellende und entzündungshemmende Medikamente, Umschläge und vor allem Ruhe) ist die Arthroskopie heute die Methode der Wahl bei der Behandlung von Gelenkkörpern (Chips). In einigen privaten Pferde- und Tierkliniken Österreichs ist die Chipentfernung mittels Arthroskopie nach der Kastration die am häufigsten durchgeführte Operation an Pferden, an der Klinik für Orthopädie der Veterinärmedizinischen Universität Wien machen Chipentfernungen rund 30 % aller Operationen aus.
Die Arthroskopie hat seit ihren Anfängen – übrigens war es Prof. Dr. Peter Knezevic, ehemaliger Vorstand der Orthopädie, der die Arthroskopie bei Pferden einführte – große Fortschritte gemacht. Auch wenn der Schweregrad der Operation oft heruntergespielt wird, bedarf es eines erfahrenen und geübten Operateurs, um diesen Eingriff möglichst schonend durchzuführen.
Für den Eingriff werden die Pferde in Vollnarkose gelegt, meist wird in Rückenlage, manchmal auch in Seitenlage operiert, je nachdem, welches Gelenk betroffen ist. Durch einen kleinen Einschnitt wird das Standard-Arthroskop (Durchmesser 4 mm, Länge 17,5 cm, mit einer 25° oder 30° Optik) eingeführt, durch einen zweiten, den Arbeitszugang, das chirurgische Werkzeug. Die Bilder der winzigen Kamera, die außen auf der Optik angebracht ist, werden auf einen Monitor übertragen. Die Gelenkkörper werden mit einer kleinen Zange ergriffen und entfernt, loser, abgestorbener oder erkrankter Knorpel wird mit einer Kürette weggeschabt. Der dadurch entstehende Defekt bedeckt sich mit Faserknorpel, was später ein Problem werden kann, da dieser Knorpeltyp nicht so belastbar ist wie der ursprüngliche Knorpel. Versuche, durch Knorpelübertragung in diesem Bereich wieder hyalinen Knorpel entstehen zu lassen, waren bisher auf Dauer nicht erfolgreich. Spätestens nach einem Jahr hatte sich der Knorpel zu Faserknorpel umgebaut.
Auch wurde versucht, größere Chips mit speziellen resorbierbaren Schrauben aus der Humanmedizin wieder zu befestigen. Da man Pferde allerdings nicht ins Bett legen kann und diese Verbindungen anfangs nicht sehr belastbar sind, waren auch diese Versuche nicht von Erfolg gekrönt.
Bleibt also bislang als Therapie nur die Entfernung mittels Arthroskopie bzw. die konservative Behandlung.
Heilungschancen
Die Prognose hängt von mehreren Faktoren ab: Je mehr Gelenke betroffen sind, desto schlechter ist die Prognose. Dann kommt es auch darauf an, wo der Chip liegt, wie groß er ist, wie leicht er entfernt werden kann und wie groß der Sekundärschaden bereits ist. Die vergleichsweise ungünstigste Prognose haben zystoide Defekte im Kniegelenk, sehr gute Chancen auf Heilung und Wiedererlangung der vollen Belastbarkeit haben z. B. Veränderungen am mittleren Längskamm des Sprunggelenks oder auch Gelenkkörper in der vorderen Gelenksaussackung des Fesselgelenks.
Die Arthroskopie hat eine relativ geringe Komplikationsrate (z. B. Infektion des Gelenks), da der Gelenkinnenraum mit der Außenwelt kaum in Berührung kommt. Dennoch ist es wichtig, unter möglichst sterilen Bedingungen zu arbeiten, um das Risiko soweit wie möglich zu minimieren. Und natürlich birgt auch die Narkose ein gewisses Risiko – was man der Vollständigkeit halber auch erwähnen sollte.
Meist verbleibt das Pferd nach der Arthroskopie drei bis fünf Tage in der Klinik und wird dann in ambulante Nachbehandlung entlassen.
Von der Größe des Gelenkkörpers und davon, wie stark die Veränderungen im Gelenk sind, hängt auch die Dauer der Rekonvaleszenz ab. In der Regel muß dem Pferd ein Monat Belastungspause gewährt werden, das gewohnte Training kann meist zwei Monate nach der Operation wieder aufgenommen werden.
Vorbeugung
Die Vorbeugung der Osteochondrose hängt – wie im letzten Heft ausführlich beschrieben – naturgemäß eng mit deren Ursachen zusammen, die in erster Linie in der genetischen Prädisposition und zweitens in den Aufzuchtbedingungen zu suchen sind. Hier muß man auch ansetzen, will man die Krankheit eindämmen.
Die Chance, daß die Nachkommen OC (Osteochondrosis dissecans) haben, ist größer, wenn auch die Eltern OC haben. Eine prophylaktische Möglichkeit besteht daher darin, nur Chip-freie Hengste zur Zucht zuzulassen. Diesen Weg gehen niederländische und schwedische Zuchtverbände bereits. "Allerdings kann ein Pferd, das als Dreijähriger ohne röntgenologischen Befund ist, sehr wohl als Fohlen OC gehabt haben. Hinter dem Negativbefund steht also ein Fragezeichen, denn jede Osteochondrose basiert auf demselben fehlerhaften Prozeß. Weitere Untersuchungen sind nötig, um bessere Selektionskriterien zu erhalten." (Aufzucht und Osteochondrose im ersten Lebensjahr. J. Knaap und M. Gerding, Lelystad. In: Göttinger Pferdetage ’99. Internationale Fachtagung) Man denkt hier vor allem an gentechnologische Methoden, um das Chromosom und dessen Abweichung zu finden, die den fehlerhaften Prozeß auslösen.
Nicht nur durch die Eltern, auch durch den Zeitpunkt der Belegung und damit der Geburt kann der Züchter dem Fohlen Vor- bzw. Nachteile verschaffen. "Die Fohlen werden oftmals zu früh im Jahr geboren, so daß sie zwei, drei Monate nicht ins Freie können bzw. nur auf eine gefrorene Gatschkoppel – was sehr schlecht ist. Optimal wäre daher die Fohlengeburt im April oder Mai, so daß die Fohlen mit den Mutterstuten gleich auf die Weide können. Ich sehe es auch als Aufgabe der Verbände, daß sie in diese Richtung aktiv auf ihre Mitglieder einwirken, weil wir die Rechnung unweigerlich irgendwann präsentiert bekommen." (Dr. Leopold Erasimus, Geschäftsführer der ZAP)
Bewegung & Futter
In Österreich sind die Osteochondrosen meist durch falsche Fütterung und/oder zu wenig Bewegung im Fohlenalter verursacht. In beiden Bereichen versucht man seitens der Zuchtverbände entgegenzuwirken, indem Verbandsweiden angeboten werden. Dorthin können – so Dr. Erasimus – Züchter ihre ein- und zweijährigen Pferde zur Aufzucht bringen, wobei hier durch Futtermittelanalysen gewährleistet ist, daß Mineralstoffe in der richtigen Menge zugefüttert werden. Allerdings werden die Weichen zur Osteochondrose bereits viel früher, nämlich in den ersten Lebensmonaten gestellt, so daß man sich für diese erste, entscheidende Zeit der Entwicklung überlegen muß, wie man den Fohlen möglichst viel artgerechte Bewegung anbieten kann. Dr. Erasimus: "Den Züchtern wird gar nichts anderes übrigbleiben, als sich umzustellen. Denn wenn ein Pferd wegen Osteochondrose bei der Ankaufsuntersuchung durchfällt, weiß man heute, daß dieser Schaden relativ stark aufzucht- und umweltbedingt ist."
© Pferderevue/Eva Morawetz