Jedem Reiter ist bekannt, daß sein Pferd als Beutetier über einen nahezu 360grädigen Rundumblick verfügt, dafür aber kaum räumlich sieht. Für das Fluchttier Pferd ist es wesentlich wichtiger, potentielle Gefahren im Rücken auszumachen, als beispielsweise eine Beute fokusieren zu können – Karotten laufen im allgemeinen ja nicht davon. Wie es allerdings um das Gehör ihres Reitkameraden bestellt ist, wissen noch viel zu wenige. Dabei ist das Ohr als Informationsvermittler über Vorgänge, die sich in größerer Distanz abspielen (Fernsinn), viel wichtiger als das Auge. Und seit man weiß, daß Pferde auch im Ultraschallbereich hören, erweitert sich der Bereich der möglichen akustischen Irritationen um ein Vielfaches. Aufbau & Funktionen Das Pferdeohr besteht aus dem äußeren Ohr, dem Mittel- und dem Innenohr. Das äußere Ohr hat die Funktion, die Schallwellen zum Trommelfell zu leiten und ist beim Pferd als trichterförmige Ohrmuscheltüte ausgebildet. Durch radiär die Ohrmuschelbasis umfassende Muskeln ist diese Tüte sehr gut beweglich, das Pferd kann damit nicht nur Schallquellen besser anpeilen, den Ohrmuscheln kommt auch mimische Funktion zu – das Pferdeohrbarometer geht von freundlicher Aufmerksamkeit (Tüten aufmerksam gespitzt) bis zu angriffslustiger Aggression (Tüten angelegt). Das Mittelohr besteht aus der Paukenhöhle mit den darin eingespannten Gehörknöchelchen. Zum Gehörgang hin wird die Paukenhöhle vom Trommelfell abgeschlossen. Das System des Mittelohres dient der Übertragung der Schalldrucke auf das Innenohr, wo der ursprüngliche Luftschall als Flüssigkeitsschall weiterläuft. Die Paukenhöhle selbst ist mit Luft gefüllt, Ventilation und Druckausgleich sind durch die Ohrtrompete (eustachische Röhre) möglich, die das Mittelohr mit dem Nasen-Rachen-Raum verbindet und die beim Pferd große Divertikel, sogenannte Luftsäcke besitzt, deren Funktion noch unklar ist. Das Innenohr enthält die Gehörschnecke und das Gleichgewichtsorgan. In der Gehörschnecke werden die mechanischen Impulse des Schalls in nervale Erregungen umgesetzt, die über Nervenbahnen ins Hirn weitergeleitet werden. Ebenfalls im Innenohr gelegen ist das Gleichgewichtsorgan. Es hat im wesentlichen zwei Aufgaben zu erfüllen: Auskunft zu geben über die Lage des Kopfes im Raum und über seine Bewegung (statischer und dynamischer Sinn). Hören Pferde Ultraschall? Eine experimentelle Untersuchung am Institut für Physiologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien, durchgeführt von Prof. Dr. H. Bubna-Littitz und Prof. DI Dr. G. Windischbauer, hat ergeben, daß Pferde wesentlich weiter im Ultraschallbereich hören, als bisher angenommen wurde. Für die Haltung und den Umgang mit Pferden kann dieser Umstand von einiger Bedeutung sein. Ultraschall wird als Schall im Frequenzbereich über der oberen Hörgrenze des Menschen definiert. Da sehr viele Tiere im Ultraschallbereich von 20–60 kHz hören, werden Ultraschall emitierende Geräte gezielt zur Vertreibung von Nagern und Vögeln aus Lagerhallen, Stallungen und anderen Gebäuden eingesetzt. Ultraschall wird auch von schnell rotierenden Ventilatoren, durch mechanische Schwingungen elektronischer Geräte, im besonderen aber von Alarmanlagen und Abstandssensoren abgestrahlt. Somit nimmt die akustische Belastung der Nutz-, Heim- und Luxustiere laufend zu, wobei beim Tier neben hörbarem Schall auch Ultraschall als Stressor wirken kann. Außerdem ist zu bedenken, daß plötzlich auftretender Ultraschall zu Schreck-, Flucht- oder Panikreaktionen führen kann. Hörgrenzen der Pferde Für Pferde wird in Reitbüchern und -zeitschriften eine obere Hörgrenze von 25 kHz angegeben. Es wurde auch berichtet, daß Pferde auf die Abstrahlung eines Rattenvertreibgerätes mit einer Frequenz von 31,5 kHz und mit einer Schallintensität von 114 dB reagiert hätten. Mit Hilfe der Dressurmethode konnte Hörvermögen bis 33,5 kHz bei drei jungen Pferden nachgewiesen werden. Die neue Studie an der Wiener Universität für Veterinärmedizin hatte sich die Aufgabe gestellt, zu prüfen, ob ein Hörvermögen auch über 33,5 kHz vorliegt und wie sich der Verlauf der Hörschwelle bei einer feineren Unterteilung des Frequenzbereiches darstellt. Auch die Untersuchung der Wiener arbeitete mit einer Dressurmethodik. Dazu wurden den Tieren Töne unterschiedlicher Frequenz und Schallintensität angeboten. Sobald das Pferd einen Ton wahrgenommen hatte, mußte es innerhalb einer bestimmten Zeit einen Hebel betätigen, um die gewünschte Belohnung (eine Karotte) zu erhalten. Die angebotenen Signale wurden in dem zu untersuchenden Frequenz- und Intensitätsbereich variiert. Während der Lernphase lagen die Signale im sicheren Hörbereich. Sobald der Lernerfolg ein vorgegebenes Kriterium überstieg, begann die Testphase mit dem Signalangebot im Ultraschallbereich (24–38 kHz). Nach den Ergebnissen der Untersuchung können Pferde Ultraschall bis zu 38 kHz wahrnehmen. Welche physiologische Bedeutung dem Ultraschallhörvermögen beim Pferd zukommt, kann nicht beantwortet werden. Es wird jedoch vermutet, daß Ultraschall auch beim Pferd im Rahmen der Orientierung im Raum eine Rolle spielen könnte. Als Ultraschall erzeugendes Organ wird in diesem Zusammenhang die Nasentrompete des Pferdes diskutiert. Diesbezügliche experimentelle Untersuchungen stehen jedoch noch aus. Eine ebenso experimentell nicht abgesicherte Vermutung ist, daß das Pferd im Rahmen des akustischen Signalverhaltens Ultraschallsignale benützt. Eindeutig kann aus den Ergebnissen der Untersuchung ausgesagt werden, daß eine Ultraschallbelastung beim Pferd in höherem Ausmaß möglich ist, als bisher angenommen wurde und damit einen tierschutzrelevanten Aspekt darstellt. Ebenso können unerklärbares Scheuen und Fluchtreaktionen beim Reitsport als Folge plötzlich auftretenden Ultraschalls gesehen werden. Erkrankungen des Hörorgans Ein für Pferdebesitzer ebenfalls interessantes Kapitel sind die Erkrankungen und Störungen, die im Bereich des Ohres auftreten können – auch wenn es kein sehr ergiebiges Kapitel zu sein scheint. "Therapeutisch betrachtet ist das Pferdeohr ein Stiefkind", meint Dr. Klaus Riedelberger von der Pferdeabteilung der I. Medizinischen Klinik. "Veränderungen der Pferdeohren sehen wir ganz, ganz selten." Zu den bekanntesten Problemen des äußeren Ohres gehört sicherlich das Mückenekzem im Sommer, dem man durch Ohrenhäubchen bzw. Repellents vorbeugen kann. Zu den eher seltenen Erkrankungen dieses Bereichs zählen der Befall durch Ektoparasiten und Ohrräude (Psoroptes-Milbe), auch kann sich der äußere Gehörgang durch bakterielle Infektionen entzünden. Selten sind solche Infektionen deshalb, weil die Ohrtüte des Pferdes zum Schutz vor dem Eindringen von Fremdkörpern in den Gehörgang innen dicht mit Härchen bewachsen ist – die man auch nicht entfernen sollte. Auch durch die Größe des Pferdes kommt es relativ selten dazu, daß sich etwas ins Pferdeohr verirrt, auch sollte mensch nicht zu Reinigungszwecken darin herumstochern, da die Gefahr besteht, damit das Trommelfell zu verletzen. Kommt es allerdings zu einer Entzündung, so gehört diese vom Tierarzt behandelt, da der Entzündungsprozeß sonst auf das Mittelohr übergreifen kann. Schreitet die Entzündung fort, kann der Gleichgewichtssinn des Pferdes in Mitleidenschaft gezogen werden. Die daraus resultierenden Gleichgewichtsstörungen können sich in ataktischem Gehen, Kopfschiefhaltung u. ä. äußern. Allerdings ist nicht jede Gleichgewichtsstörung auf eine Schädigung des Innenohrs zurückzuführen. Der behandelnde Tierarzt muß daher abklären, ob die Symptome ihre Ursache in einer Entzündung des Mittel- bzw. Innenohrs haben oder ob sie vom Hirn oder von der Wirbelsäule ausgehen. Aber nicht nur bakterielle Infektionen können zu Entzündungen und in Folge zu Schädigungen des Hörorgans führen, auch Schädeltraumen (Sturz, Schlag) können feine Haarrisse im Ohrbereich verursachen, an denen es dann zu sekundären Entzündungen des Gewebes kommt. Was bei Pferden relativ häufig vorkommt, sind Entzündungen der Luftsäcke in der Eustachischen Röhre (= Ohrtrompete = Verbindung vom Mittelohr in den Nasen-Rachen-Raum). In den Ausweitungen der Luftsäcke kann es durch meist aus dem Rachenraum eindringende Erreger zu bakteriellen oder Pilzinfektionen kommen, Eiter kann sich hier ansammeln. Endoskopisch ist dieser Bereich gut untersuchbar, auch röntgenologisch kann man ihn gut abklären. Sichtbar werden solche eitrigen Entzündungen manchmal dadurch, daß dem Pferd beim Fressen Eiter aus der Nase rinnt. Ebenfalls praxisrelevant sind Hauttumore (Sarkoide), die als blumenkohlartige Veränderungen in der Ohrmuschel sichtbar werden, die sich auch entzünden können. Auch Warzen und andere Tumore (Melanome, Karzinome) können am und im Ohr vorkommen, doch sind diese eher selten. Eine weitere Störung, die in den Bereich der Ohren fällt, ist die sogenannte Ohrrandfistel. Es handelt sich dabei um eine Entwicklungsstörung, bei der versprengte Zahnanlagen im Bereich des knöchernen Schädeldaches am Ohrgrund auftreten. Die betroffenen Pferde zeigen am Unterrand der Ohrmuschel oder irgendwo im Ohrmuschelbereich eine Öffnung, die sich nicht von selbst schließt, auch kann Eiter austreten. Die Therapie besteht darin, daß man die versprengte Zahnanlage chirurgisch entfernt. Taubheit bei Pferden komme sicherlich vor, so Dr. Riedelberger, allerdings ist diese schwer nachzuweisen, da Pferde kombinierte Sinnesorgane haben, also auch Augentiere sind und daher schwer zu sagen ist, ob sie auf ein Geräusch, auf Luftzug oder auf eine Bewegung reagieren. © Pferderevue/Eva Morawetz, Prof. Dr. H. Bubna-Littitz, Prof. Dr. DI G. Windischbauer