Betrifft: "Geliebte Klimakatastrophe" von Jürgen Langenbach, DER STANDARD, 16. 11. 2000
Greenpeace ist eine jener Umwelt-NGOs, die bei der Klimaschutzkonferenz in Den Haag darauf drängt, weltweit die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, und Schlupflöcher zu schließen. Bei diesen Klimaschutzkonferenzen wird ja inzwischen nur mehr darüber gestritten, wer wie viel Verschmutzungsrechte zu welchem Preis handeln darf; die Sprache der Verhandler erinnert eher an einen Weltwirtschaftsgipfel. Und: Ganz entgegen der Meinung vieler Journalisten, dass der Klimawandel die Umweltschutzdiskussion dominiert, ist der Treibhauseffekt auch in der Zeit zwischen den jährlichen, großen Klimaschutzkonferenzen kein Thema mehr. Zu Beginn der 80er-Jahre war dies noch anders. Inzwischen ist ein Gewöhnungs- und Anpassungseffekt eingetreten, der den entschlossen Kampf gegen den Ausstoß von immer mehr Treibhausgasen bremst. Für viele Journalisten ist inzwischen das Infragestellen des Treibhauseffekts bzw. das Betonen auch möglicher positiver Effekte die bessere "Geschichte" als das Einreihen in den wissenschaftlichen und journalistischen Mainstream, - "Mann beißt Hund" anstatt "Hund beißt Mann".

Deswegen zeigt auch die Annahme, dass Greenpeace Klimakatastrophen aus Gründen des Fundraisings propagiert, eher von einer völligen Unkenntnis der tatsächlichen Spendermotivation. Die Atmosphärenphysik nimmt jedoch keine Rücksicht auf Gewöhungseffekte, medienpolitische Erfordernisse und fehlenden politischen Willen. Wann immer es in den letzten 200 000 Jahren hohe Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre gab, konnten mit relativ geringer zeitlicher Abweichung hohe Temperaturen und sehr unterschiedliche klimatische Bedingungen zur vorheergehenden Periode festgestellt werden, der Klimawandel ist somit tatsächlich etwas natürliches. Die letzten 10 000 Jahre leben wir aber in einem relativ stabilen "Klimafenster" mit geringen Schwankungsbreiten. Warum es diesmal bei einer Verdoppelung oder gar Verdreifachung vorindustrieller Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre durch das stete Verbrennen von Kohle, Öl und Erdgas das erste mal nicht zu dramatischen Veränderungen kommen sollte, bleibt den Klimaskeptikern zu beweisen.

Derzeit durchstoßen wir dieses schmale Band des relativ stabilen Klimas nach oben und ein Ende des Emissionsanstiegs ist nicht in Sicht. Greenpeace orientiert sich an dieser tatsächlich größten Umweltbedrohung und sieht es auch als seine Pflicht an, die Menschen über diese Gefahr aufzuklären, z.B. auch über ein gesteigertes natürliches Lawinenrisiko. Das Ausspielen gegen andere Bedrohungen wie Überfischung der Meere, Ressourcenkriege und Energieverschwendung, Aufwind für die Atomindustrie etc. ist ein leicht durchschaubares Spiel, das in Wirklichkeit nur der fossilen Energiewirtschaft in die Hände spielt.
Erwin Mayer, Greenpeace Österreich