Wie hatten so manche doch gejubelt, als vor einem Jahr die Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944" von den Verantwortlichen zurückgezogen wurde. Der Vorstand des "Hamburger Instituts für Sozialforschung", Jan Philipp Reemtsma, hatte eine internationale Historikerkommission mit der Überprüfung der Ausstellung betraut. Von einer "gefälschten Ausstellung", von "Gesinnungstätern" (Die Presse) und "Tugendterroristen" (Haider) war da die Rede, von "geistiger Umweltverschmutzung" (Otto Keimel, Präsident des ÖKB) und "erdrückenden Beweisen" für die Verbreitung "sowjetischer Propagandalügen" (Kronen Zeitung). Der Anlass für das Moratorium war unter anderem die Behauptung von Kritikern, dass auf zehn Ausstellungsfotos nicht Opfer der Wehrmacht, sondern des ehemaligen sowjetischen Geheimdienstes NKWD zu sehen wären und insgesamt nur zehn Prozent der Fotos Wehrmachtsverbrechen dokumentieren würden.

Die Ausstellung - so die Historikerkommission - wurde "sowohl hinsichtlich ihrer inhaltlichen Aussagen als auch hinsichtlich des verwendeten Materials so intensiv durchleuchtet, wie das bisher bei keiner anderen zeitgeschichtlichen Ausstellung geschehen ist". Zwar stellt die Kommission sachliche Fehler und "Flüchtigkeiten bei der Verwendung des Materials" fest, doch bestätigt sie "insgesamt die Intensität und Seriosität der von den Ausstellungsautoren geleisteten Quellenarbeit". Von Fälschungen und Manipulationen im Text- und Bildteil kann keine Rede sein. Bei den Fotos von angeblichen NKWD-Opfern kommt die Kommission zum Schluss, dass ganze zwei Fotos eindeutig NKWD-Opfer zeigen; auf allen anderen kritisierten Fotos sind sowohl ermordete Juden als auch NKWD-Opfer abgebildet, wobei "die Beteiligung von Wehrmachtsangehörigen an dem Pogrom an den Juden zweifelsfrei belegt" ist. Die Behauptung, lediglich zehn Prozent des in der Ausstellung verwendeten Bildmaterials würden Verbrechen der Wehrmacht zeigen, bezeichnet die Kommission als schlichtweg "unhaltbar". Von den insgesamt 1433 Fotos empfiehlt die Kommission weniger als 20 aus der Ausstellung zu entfernen.

Kernthese bleibt unbestritten

Vor wenigen Tagen hat Reemtsma die Neugestaltung der Ausstellung bekannt gegeben. Mit dieser "Rehabilitation mit Schönheitsfehlern" (APA) ist die wissenschaftliche Reputation der Ausstellungsautoren wieder hergestellt. Von entscheidender historischer und geschichtspolitischer Relevanz ist jedoch, zu welchem Schluss der Historikerbericht hinsichtlich der Kernthesen der Ausstellung kommt. Und hier stellt der Bericht unmissverständlich fest: "Die Grundaussagen der Ausstellung über die Wehrmacht und den im Osten geführten Vernichtungskrieg bleiben der Sache nach richtig. Es ist unbestreitbar, dass sich die Wehrmacht in der Sowjetunion in den an den Juden verübten Völkermord, in die Verbrechen an den sowjetischen Kriegsgefangenen und in den Kampf gegen die Zivilbevölkerung nicht nur verstrickte, sondern dass sie an diesen Verbrechen teils führend, teils unterstützend beteiligt war. Dabei handelte es sich nicht um vereinzelte Übergriffe oder Exzesse, sondern um Handlungen, die auf Entscheidungen der obersten militärischen Führung und der Truppenführer an der Front und hinter der Front beruhten."

Noch niederschmetternder als die Feststellungen über die Wehrmachtsführer ist der Befund über die Haltung der Soldaten zur Ermordung der Juden: Die einschlägigen Dokumente "zeigen mit großer Deutlichkeit, dass nicht eine Mehrheit oder auch nur ein großer Teil der Soldaten" den Judenmord verurteilte.

Vor diesen Ergebnissen ist das Triumphgeschrei der Wehrmachtsweißwäscher verstummt. Denn weniger als je zuvor eignet sich die Wehrmacht für das vergangenheitspolitische Roll-back der ÖVP-FPÖ-Regierung. Das hindert die Koalition aber nicht daran, einen Pensionszuschuss für jene Wehrmachtssoldaten zu beschließen, "deren Verhalten in Wort und Tat mit den Gedanken und Zielen eines freien, demokratischen Österreichs" vereinbar war.

Womit - nach Schüssels Opferthese - logischerweise nur österreichische Wehrmachtsdeserteure und Jägerstätters gemeint sein können. Sollte dies der erste Schritt zur Erfüllung der Präambel zur Regierungserklärung sein, in der sich Schüssel und Haider zur kritischen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit verpflichteten? Weit gefehlt: Die Pensionen sind für kriegsgefangene österreichische Wehrmachtsangehörige gedacht. Wie diese, als Angehörige einer Armee, die gewaltsam den Staat Österreich überfallen hat, in Wort und Tat für eine freies, demokratisches Österreich gekämpft haben können, bleibt Schüssels Rätsel.

Walter Manoschek ist Politologe am Institut für Staatswissenschaft der Universiät Wien und Autor der Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944"; er arbeitet derzeit an einer Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Wissenschaft und Verkehr über österreichische Opfer der NS-Militärgerichtsbarkeit.