Brüssel - "Wir sind wieder einen Schritt weiter" fasste der deutsche Finanzminister Hans Eichel den Kompromiss zur Zinsbesteuerung zusammen, auf den sich die EU-Finanzminister in der Nacht auf Montag einigten. Kritisch betrachtet, ist der Text nur eine Grundlage für eine Entscheidung, die erst in zwei Jahren, Ende 2002, fallen soll. Positiv besehen ist er aber eine Annäherung, die noch vor einem Jahr von den meisten ausgeschlossen wurde. Sollte es 2002 zur einstimmigen Entscheidung kommen, dann wollen 12 EU-Länder ab 2003 Informationen über Sparer austauschen. Belgien, Österreich und Luxemburg dürfen sieben Jahre statt dessen eine Quellensteuer beibehalten. Der Mindestsatz soll bis 2006 15 Prozent, dann 20 Prozent betragen, Werte die für Österreich mit seiner 25-prozentigen KESt bedeutungslos sind. 75 Prozent der KESt-Einnahmen von ausländischen Anlegern müssten an das Heimatland weitergegeben werden. Da bisher Ausländer von der KESt befreit sind, dürfte dies in Österreich eher zu Mehreinnahmen für den Fiskus führen. Bankgeheimnis bleibt für Inländer Ab 2010 müsste auch Österreich über Zinseinkünfte von EU-Ausländern deren Heimatfinanzamt informieren. Mit dem heutigen Bankgeheimnis ist das unvereinbar, es müsste also zu einer Änderung kommen, wozu eine zwei Drittel Mehrheit im Nationalrat nötig ist. Finanzminister Karl-Heinz Grasser (F) betonte vor der Presse, für Inländer werde das Bankgeheimnis bleiben, er sei bereit darauf Wetten einzugehen. Luxemburgs Budgetminister Luc Frieden hingegen sagte, die Trennung zwischen In- und Ausländern werde vor Gerichten nicht halten. EU-Diplomaten sagten in Brüssel, es gebe zwar keine Entscheidung, ob die Trennung zulässig ist, doch werde sich die Frage immer wieder stellen. Neben Österreich will auch Deutschland eine solche Unterscheidung einführen. Das große "Aber" am heutigen Kompromiss liegt darin, dass Österreich und Luxemburg angekündigt haben, seiner Umsetzung in zwei Jahren nur zustimmen zu wollen, wenn zwei aus heutiger Sicht unwahrscheinliche Bedingungen erfüllt sind. Drittstaaten von der Schweiz über die USA bis Liechtenstein sowie Steueroasen in der EU wie den Kanalinseln oder den niederländischen Antillen sollen auch eine gegenseitige Informationspflicht oder "vergleichbare" Bestimmungen einführen. 66 Steuerprivilegien abschaffen Außerdem wollen beide Länder nur dann grünes Licht für den Kompromiss geben, wenn die EU-Staaten 66 Steuerprivilegien abschaffen, die als wettbewerbsverzerrend eingestuft wurden. Österreich steht mit zwei Eintragungen auf der schwarzen Liste, die aber finanziell unbedeutend seien und jederzeit abgeschafft werden könnten, so Grasser. Aus heutiger Sicht mag es daher so aussehen, als ober der Kompromiss das Papier nicht wert sei, auf dem er festgehalten wurde. Es hat aber in dieser Frage einen gewaltigen Umschwung gegeben. Vor einem Jahr stand Großbritannien unter riesigem Druck, weil es als einziges Land keine Quellensteuer einheben wollte. Heute gibt es eine einstimmige Übereinkunft, die Quellensteuer durch eine gegenseitige Informationspflicht abzulösen. Das schien vor zwölf Monaten ausgeschlossen. So ausgeschlossen wie heute ein Übereinkommen mit Drittländern oder eine Umsetzung des Kompromisses ohne Abkommen mit Drittstaaten erscheinen. (APA)