Welt
Unterschiedliche Werthaltungen in den einstigen "Ostblockländern"
Sozialforscher stellen fest: für Ostdeutsche ist Demokratie wichtiger als Wohlstand. Ungarn denken materialistischer.
Berlin - Zehn Jahre nach der Wende beurteilen die
Ostdeutschen die Demokratie vor allem danach, wie sehr die Freiheit
gewährleistet ist. Hierin unterscheiden sie sich von den Ungarn, für die die
Erreichung von Wohlstand in einer Demokratie das Wichtigste ist. Dies ist
das Ergebnis einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für
Sozialforschung
(WZB).
Verena Tobsch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Jan
Delhey vom WZB haben untersucht, wie die Menschen in Osteuropa
Demokratie und Marktwirtschaft bewerten. Es kristallisierten sich dabei drei
Meinungsgruppen heraus: In Ostdeutschland, Polen, Tschechien und
Slowenien wird die Etablierung von Demokratie und Marktwirtschaft
überwiegend als Erfolg gesehen. In Rumänien, Bulgarien und der Slowakei ist
die Bilanz gemischt. In Russland, Weißrussland und der Ukraine sieht die
Mehrheit in der jetzigen Situation eine deutliche Verschlechterung im
Vergleich zu der Zeit des Kommunismus. Für die Forscher überraschend ist
die Haltung der Ungarn. Da dieses Land zu den aussichtsreichsten
EU-Kandidaten gehört, darf man eigentlich davon ausgehen, dass die
Reformen erfolgreich verlaufen sind und die Menschen zufrieden sind.
Die Forscher haben für die unterschiedliche Zufriedenheit mit dem System in
Ostdeutschland und in Ungarn als Erklärung gefunden, dass das SED-Regime
repressiv war, während der ungarische Sozialismus schon früh in den 80-er
Jahren reformorientiert war. Daher könne man sagen, dass die Ostdeutschen
nach der Wende deutlich mehr an Freiheit gewonnen haben. Insgesamt aber,
so die Forscher, müssen sich die Politiker in den osteuropäischen Ländern
mehr um die Wohlfahrtsentwicklung kümmern. Nur wenn sich die
wirtschaftlichen Verhältnisse für breite Schichten verbessern, können sich
die noch jungen Demokratien festigen. (pte)