Film
Opfer der Fluten
Jean-Luc Godards "Aufzeichnungen für eine Geschichte des Kinos" durch Hochwasser beschädigt
Locarno - Alle Restexemplare von Jean-Luc Godards umstrittenen, 1995 in Mini-Auflage erschienenen "Aufzeichnungen für eine
Geschichte des Kinos" sind vergangenen Oktober während eines Hochwassers in Locarno Opfer der Fluten geworden. Der Ehrenpräsident
des Filmfestivals von Locarno, Raimondo Rezzonico, bestätigte am Sonntag der Nachrichtenagentur sda einen Bericht der Westschweizer
Sonntagszeitung "dimanche.ch", wonach die 216-Seiten-starken Bände zerstört beziehungsweise stark beschädigt wurden. Sie lagerten in den
Kellern des Festival-Büros nahe dem Seeufer.
Die limitierte Auflage von 150 Exemplaren war in fotokopierter Form erschienen. Das Projekt einer gebundenen Buchpublikation aus Anlass
der Verleihung des Ehrenleoparden an Godard beim Filmfestival 1995 war wegen Finanzproblemen gescheitert und hatte für böses Blut
zwischen Rezzonico und dem Regisseur gesorgt.
Nur 55 ausgewählte VIPs erhielten damals das Buch mit einer persönlichen Widmung Godards. Die restlichen Kopien verschwanden im
Archiv. Sie hätten Personen des Freundesvereins des Filmfestivals geschenkt werden sollten, sagte Rezzonico, dessen eigene Ausgabe nach
dem Streit mit Godard den Zusatz "avec amitie" nicht enthielt. Ironischerweise war auch das Locarno-Festival des Jahres 1995 durch heftige
Regengüsse beeinträchtigt, welche die Freiluftvorführungen der Filme teilweise arg behinderten.
Was Sie machen, das ist kein Film
Der Schweizer Jean-Luc Godard ist einer der bekanntesten, aber auch umstrittensten Regisseure der "Nouvelle Vague", die gegen Ende der
fünfziger Jahre radikal mit dem konventionellen Erzählstil brach und nach neuen Formen der filmischen Gestaltung suchte. Er wurde 1930 in
Paris geboren, wuchs in der Schweiz auf und arbeitete zunächst als Filmkritiker u.a. für die "Cahiers du cinema". Sein unermüdliches
Filmschaffen - zu seinen wichtigsten Arbeiten gehören "A bout de souffle" (1959), "Une femme est une femme" (1961), "Le mepris", "Sauve
qui peut (la vie)" (1980), "Soigne ta droite" (1987) und "Helas pour moi" (1993) - stieß beim Publikum oft auf Unverständnis, die
Filmfachleute bewunderten ihn oder warfen ihm Beliebigkeit und Unseriosität vor.
Berühmt wurde sein Satz: "Man hat mir nie vorgeworfen: Sie machen linke Filme oder Sie machen rechte
Filme. Der einzige Vorwurf, der mir je gemacht wurde, war: Was Sie machen, das ist kein Film." Am kommenden Sonntag (3. Dezember)
wird Jean-Luc Godard 70 Jahre alt. (APA)