Graz - Es passiert viel und auch wieder gar nichts in Deutsche Sprache Schwere Sprache , dem dritten Teil von Einar Schleefs Totentrompeten . Zusammen mit dem Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin stellt das forum stadtpark theater unter der Regie seines Leiters Ernst M. Binder das kürzlich in Schwerin uraufgeführte Wendestück auf die Studiobühne im Opernhaus. Der Regisseur und drei kongeniale Schauspielerinnen bringen es zuwege, dass äußerer Stillstand und unterdrückte Lebenslust bis zum explosiven 9. November zum Greifen spürbar werden. Im 30.000-Einwohner-Städtchen Sangerhausen im Bezirk Halle - übrigens Schleefs Geburtsort - leben die Rentnerinnen Trude, Elly und Lotte. Es ist Herbst 1989, die Auflösung der DDR bahnt sich an, doch noch wird Republikflucht der Kinder an den Eltern gerächt. Polizist Meyer, Leiter der Passabteilung, soll deswegen degradiert werden, außerdem nimmt die Staatsmacht schweren Anstoß an seinem Sprachfehler. Nachbarin Trude sieht ihre Stunde nahen, hat ihr doch Meyer jahrelang den ersehnten Reisepass verweigert. Eine Domina in braunen Halbschuhe, macht sie den Polizisten mit Sprachübungen und Atmungstheorie mürbe, bis er ihr den Rührkuchen vom Teppich frisst. Lotte sortiert derweilen einen Waschkorb voll Antworten auf ihre Kontaktanzeige. Die Dritte in diesem Bunde, den ein langes Leben scharfer gegenseitiger Beobachtung in der Provinz zusammenhält, ist Elly mit dem trockenen Witz und dem Hang zur Flasche. Lore Tappe, Ute Kämpfer und Gretel Müller-Liebers - wichtig für Binder, dass sie aus der DDR kommen - schreiben als köstliche Individualanarchistinnen Theatergeschichte, denn der raue Charme von Schleefs holprig-praller Sprache machte den Autor schon mit dem ersten Teil (1995) zum Star der Wendeliteratur. In der Tat ist der kleinbürgerliche Realismus der drei entschlossenen Alten - die Hitlers kommen und gehen, aber das deutsche Volk bleibt - frei von Sentimentalität und Schuldzuweisung, die Metapher von der Sprachgewalt voller Witz und Hintersinn. Der Abschluss von Schleefs Tetralogie, Gute Reise Auf Wiedersehen , folgt im kommenden Herbst. (27., 28., 29. 11.) (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. 11. 2000)